Heimweh – Mehr als nur ein bisschen Bauchweh

Wer einen Studienaufenthalt in Australien, Neuseeland oder Kanada plant, der freut sich in erster Linie auf das Abenteuer – und das ist auch gut so! Dennoch erwischt es jeden irgendwann mal, das Heimweh. Wir haben uns den Begriff mal genauer angeguckt und zeigen was helfen kann.

Heimweh Studium Australien

Es wird auch als Schweizer Krankheit bezeichnet, obwohl es längst nicht nur die Bewohner des kleinen Alpinstaates befällt. Auch Dorothy aus dem Film »Der Zauberer von Oz« erkannte auf ihrer Reise wehmütig „There's no place like home“. Fast jeder erfährt im Laufe seines Lebens einmal das Gefühl Heimweh zu haben.

Ursprünge des Begriffs Heimweh

Der älteste heute bekannte Beweis für das Wort Heimweh ist ein Schreiben an den Rat der schweizerischen Stadt Luzern aus dem Jahre 1569. Etwa 120 Jahre später veröffentlichte der Arzt Johannes Hofer – auch in der Schweiz – seine Dissertatio medica de Nostalgia oder Heimwehe. Hier tauchten auch zum ersten Mal die Begriffe νόστος (nostos) für Rückkehr und άλγος (algos) für Traurigkeit, Schmerz oder Leiden auf. Bis heute dient der Begriff Nostalgia als medizinischer Fachausdruck für Heimweh. Ein Wechsel der Umgebung verbunden mit veränderter Lebensweise, anderer Luft und fremden Bräuchen waren Hofer zufolge die Ursachen für Heimweh. Aufgrund Hofers Schweizer Herkunft, wird die Heimweh auch heute noch als Schweizer Krankheit bezeichnet.

In Frankreich war es bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts bei Todesstrafe verboten, die Hirtenmusik Chue-Reyen oder Renz des Vaches zu singen oder zu pfeifen. Der Grund: Hörten die Schweizer Soldaten diese Melodie, verfielen sie gleich zu Scharen in Heimweh, desertierten oder starben sogar. Dies führte zu der damals weit verbreiteten Meinung, Bergvölker seien anfälliger für Hemweh als Menschen dem Flachlandgebiet. Aufgrund dieser Vermutung wurden erstaungliche Forschungsarbeiten eingeleitet, die dem Phänomen Heimweh nicht mehr nur psychologisch, sondern vor allem physiologisch auf die Schliche kommen wollten. Der Schweizer Arzt und Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer ging davon aus, dass die eigentliche Ursache des Heimwehs die Luftdruckveränderung sei. Als Therapie empfahl er, die Erkrankten auf höher gelegene Berge zu bringen, ihnen dosierte gepresste Luft zukommen zu lassen und ihnen Stoffe – wie Salpeter oder Wein – zu verabreichen, die zusammengepresste Luft enthielten. Nachdem auch weitere Wissenschaftler vergeblich versuchten Heimweh auf mögliche Luftveränderungen zurückzuführen, triumphierte zu Beginn des 19. Jahrhunderts die psychologische Sichtweise endgültig.

Körperliche Folgen von Heimweh

Wer Heimweh hat, sehnt sich nach der Sicherheit und Geborgenheit des Bekannten. Diese unbefriedigte Sehnsucht nach der Heimat führt zu dem melancholischen Zustand, den wir als Heimweh kennen. Im schlimmsten Fall kann das sogar zu einer Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit führen. Die Symptome können von Kopfschmerzen und Muskelverspannungen über Krämpfe bis hin zu Erbrechen reichen. Betroffene beschreiben ihre Gefühle und sich selbst in erster Linie jedoch als tief traurig, depressiv, frustriert, wütend und hoffnungslos. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass jeder anders mit Heimweh umgeht und es sich auch bei jedem anders äußern kann. Eins haben jedoch alle Heimweh-Formen gemein: es ist nicht zu unterschätzen! Jeder, der dieses Gefühl bereits am eigenen Leib erfahren hat, wird das bestätigen können.

Wenn wir Heimweh haben, befindet sich unser Körper im Ausnahmezustand ähnlich wie beispielsweise bei starkem Liebeskummer. Wir befinden uns in einer psychischen Krisensituation, wie sie bei der Trennung oder Verlust von Gewohnheit und Sicherheit auftreten kann, und sehnen uns nach dem Bekannten und Vertrauten. Oft suchen wir dieses Vertraute dann in Dingen, die wir bereits kennen und die uns an die Zeit vor dem Heimweh erinnern. Dies können Lebensmittel von zu Hause, Sport- oder Freizeitaktivitäten, die wir schon zuvor zu unseren Hobbys gezählt haben oder aber auch Filme in unserer Muttersprache sein.

Auch jungen Leuten – in unserem Fall Studierenden – fehlt so manches Mal eben diese heimatliche Geborgenheit, welche sie dann ersatzweise in Form der in zahlreiche Länder exportierten Milka-Schokolade zu sich nehmen. Das reicht aber nicht immer. Manchmal muss es einfach der Landliebe-Joghurt, die beste Freundin zum Quatschen oder die Live-Übertragung des Lieblingsfußballvereins sein. Die Tatsache, dass wir diese Dinge in der momentanen Situation jedoch nicht bekommen können, bedrückt uns umso mehr.

Die Rückkehr nach Hause und was sonst noch bei Heimweh hilft

Der Arzt Johannes Hofer empfahl Ende des 17. Jahrhunderts die Rückkehr in die Heimat als wirksamstes Mittel gegen Heimweh. Heutzutage empfehlen Psychologen, dass es besonders gut hilft, so genannte Übergangsobjekte mit auf die Reise zu nehmen. Dies können beispielsweise Fotos, Sprachnachrichten oder Briefe von Freunden und Familie sein. Dank dieser Andenken können dann manche traurigen Heimweh-Wellen besser überstanden werden. Auch ein Treffen mit weiteren Studierenden in einer ähnlichen Situation kann wahre Wunder wirken!

Unsere Alumni berichten in ihren Erfahrungsberichten immer wieder vom Heimweh. Die überragende Mehrheit bestätigt, das sie entweder kaum Heimweh empfanden oder dass das Heimweh schnell verflog. Es gibt aber auch Fälle, in denen das nicht so ist.

Anjas Geschichte 

Völlig unverhofft erwischte das große Heimweh Anja, als sie als Austauschstudentin an der University of Technology Sydney studierte. Sie hatte bereits davor allein im Ausland gelebt, aber dabei nie richtiges Heimweh erlebt. „Zum ersten Mal Heimweh hatte ich, als ich etwa eine Woche nach meiner Ankunft in Sydney aus meiner tollen Jugendherberge in meine erste WG gezogen bin“, erzählt Anja. Die erste Nacht was alles andere als ruhig. Die Mitbewohner waren nicht ganz ihr Fall und deren Vorstellungen von Ordnung und Sauberkeit auch nicht. Nach einer durchkämpften Nacht und einem verzweifelten Anruf zu Hause entschloss sich Anja, am nächsten Tag umzuziehen.

Zwar war die neue Wohnheims-WG sauberer, doch das dumpfe Gefühl verschwand trotzdem nicht: „Ich bin dann zwar umgezogen, aber bald darauf befiel mich eine andere Art von Heimweh. Ich war einfach überfordert mit der Situation. Hinzu kam, dass meine neue WG von Menschen aus fünf verschiedenen Nationen bewohnt wurde. Natürlich war es toll so viele Menschen aus verschiedenen Kulturen kennen zu lernen, aber wir hatten alle andere Vorstellungen vom Zusammenleben (v.a. hinsichtlich Rücksichtnahme, Hygienevorstellungen und Verantwortlichkeiten).“

Pleiten, Pech und Pannen

Was Anja berichtet ist keine Seltenheit. Kommen wir in einem neuen Land an, in dem wir einige Monate oder vielleicht sogar Jahre verbringen wollen, sind wir in der Regel erst einmal gestresst. Wichtig ist es darum, eine Anlaufstelle bzw. einen Ort zu haben, an dem man sich wohl fühlt und an den man abends gerne zurückkehrt. Darum kümmert man sich am Besten schon von zu Hause aus.

Besonders geholfen hat Anja gerade in der Anfangsphase ihres Australienaufenthaltes, viel in und um Sydney zu unternehmen und sich mit Freunden zu treffen: „Zur Bekämpfung von Heimweh eignet sich meiner Meinung nach, Ausflüge zu unternehmen und zu versuchen, Freunde auch außerhalb der WG zu finden.“ Praktisch alle Universitäten bieten zu Beginn des Semesters Aktivitäten an, um Kontakte zu knüpfen und mit anderen Studierenden zusammen etwas zu unternehmen.

Schnelle Leitung in die Heimat

Wenn das Heimweh doch mal die Überhand gewann, war das Telefon mit der direkten Verbindung nach Hause nie weit weg. Freunde und Familie hatten dafür immer Verständnis, insbesondere da diese „Not(an)rufe“ mit der Zeit weniger wurden. Rückblickend vermisst Anja ihre Zeit in Sydney und findet es schade, dass sie nur für ein Semester in Sydney war. 

Auch wenn ihr der ständige Kontakt mit ihrer Familie und Freunden in Deutschland sehr über ihr Heimweh hinweg geholfen hat, glaubt Anja nicht an eine Pauschallösung oder ein Allheilmittel gegen Heimweh: „Ich finde, das Thema Heimweh wird nicht ausreichend behandelt, aber ich finde auch, dass es ein sehr schwieriges und komplexes Thema ist. Es gibt verschiedene Formen und Arten von Heimweh. Jeder geht anders mit seinem individuellen Heimwehgefühl um.“

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