Gegen den Strom schwimmen und nach Perth
Erfahrungsbericht Perth Australien

Sebastian Cornet | Studiert an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

Wo
Edith Cowan University

Zeitraum
2017

Was
Wirtschaftswissenschaften

Studienprogramm
Auslandssemester

Förderung
IRH Förderprogramm

31.07.2017

Auslandssemester an der Edith Cowan University

Auslandssemester ECU Australien

Lieber Leser,

In den folgenden Zeilen berichte ich Euch von meinem Auslandssemester an der Edith-Cowan University in Perth, das ich von Februar 2017 bis Juni 2017 absolviert habe. Am Ende habe ich noch einmal ein paar Top Tipps zusammengefasst, falls ihr keine Lust habt, den ganzen Text zu lesen ;).

Dehydriert, übermüdet und mit blutverschmiertem T-Shirt sitze ich in einer modern ausschauenden Bahn Richtung Norden Perths und konzentriere mich vollends darauf, bloß nicht einzuschlafen und meinen Ausstieg nicht zu verpassen, was mir zunehmend schwer fällt nach dem anstrengenden 38-Stunden Flug inklusive 12-Stunden Zwischenstopp ohne Koffer in Abu Dhabi. Endlich ertönt die Durchsage: „Next Station Whitfords“. Ich bin erleichtert. Ich bin nicht eingeschlafen. Ich bahne mir meinen Weg durch die ob meines blutbefleckten T-shirts irritiert dreinschauenden Gäste, was ich meinem Nasenbluten infolge der erbarmungslosen Klimaanlage im Flugzeug zu verdanken hatte.

Geschafft. Endlich draußen. Nach weiteren 20 Minuten Fußmarsch in drückender Hitze erreiche ich meine AirBnB-Unterkunft und möchte nur noch eins: Schlafen.

Doch der Reihe nach: Wie konnte dieser zugegebenermaßen unglücklicher Start zustande kommen?

Bewerbungsprozess bis Abflug

Deutschland, August 2016.

Schon früh habe ich mich einerseits entschieden ein Auslandssemester zu machen und andererseits definitiv nach Australien zu gehen. Dies ist zu einem Traum von mir geworden, nachdem gefühlt die Hälfte meiner Freunde ein Work&Travel dort absolviert hatten und mich deren Stories schlichtweg begeistert haben.

Von Anfang an hat mich das Institut Ranke-Heinemann sehr gut betreut. Fragen zu möglichen Universitäten, Visum, Flug und deren Förderprogramm (Es gibt eine garantierte Studienbeihilfe von bis zu 10% eurer australischen Studiengebühren!) wurden ausführlich vorzugsweise per Telefon beantwortet und schnell hatte ich mich für den Standort Perth entschieden, um einfach mal gegen den Strom - der zur Eastcoast tendiert - zu schwimmen. Außerdem hatte mir meine Betreuerin aus dem International Office meiner Heimathochschule nur Gutes berichtet. Andere hiesige Universitäten in Perth hatten leider nicht genug Marketing-Module, weshalb ich keine große Auswahl hatte und mich einer vollständigen Akkreditierung meines Auslandssemesters willen für die Edith Cowan University entschieden, deren Wahl ich nie bereut habe.

Der Bewerbungsprozess für die Aufnahme ins Förderprogramm war leicht und die Bestätigung kam ein paar Tagen nachdem ich mich beworben hatte.

Ich empfehle dringend, sich frühestmöglich um diese Bewerbung zu kümmern, da, wenn es wie bei mir zu Verzögerungen kommt, hinten raus ziemlich stressig wird! Meine „Confirmation of Enrolment“ habe ich erst im Januar bekommen, da die Universität eine Winterpause über 2 Wochen eingelegt hatte und ich zwischen Erhalt des „unconditional offer letters“ und Zusendung der Immatrikulationsbescheinigung viel mit dem „Course information hub“ hin und herschreiben musste, um sicherzugehen, dass die Inhalte meiner deutschen Kurse die Eintrittsvoraussetzungen meiner australischen Wunschkurse decken. Die Immatrikulationsbescheinigung gibt es nur, wenn die Studiengebühren erfolgreich bezahlt wurden. Dafür empfehle ich den Dienstleister „Transferwise“ , über den man ohne Bankgebühren und mit gutem Wechselkurs das Geld auf das Konto der australischen Universität zahlen kann. Die Immatrikulationsbescheinigung ist wiederum Voraussetzung für einen Visumsantrag, der auch einfach online ausgefüllt werden kann. Um dann noch einen günstigen Flug zu finden, den man ja theoretisch erst nach Visumsbestätigung buchen sollte, bedarf es also einer Vorlaufzeit. Also lieber Leser: Früh Kümmern

Im Februar 2017 war es dann endlich soweit: der lang erwartete Abflug nach Down Under, wo ich nach 38 stündiger Überreise in oben beschriebenen Zustand ankam. Nach vielen Stunden Schlaf konnte am nächsten Tag die Wohnungssuche auch schon losgehen.

Die Wohnungssuche…

…ist super einfach! Angebot und Nachfrage halten sich in Perth die Waage und wenn man schnell genug ist bei neuen Anzeigen, kann man schnell auch mal ein super Schnäppchen kriegen.

Ich empfehle Gumtree sowie Flatmate. Auf Flatmate schnell ein Profil erstellen und schon kann man die Ersteller der Inserate kontaktieren. Außerdem wird man sehr häufig von Vermietern angeschrieben, die ihre zu vermietenden Räume bewerben. Wohnungsnot gibt es hier aktuell, d.h. Anfang 2017, wirklich nicht, da könnt ihr ganz entspannt sein! Ich würde allerdings von Seiten wie realestate.com abraten, da dort meistens mit Verträgen und Maklergebühren gearbeitet wird. Gumtree und Flatmates sind unkomplizierter, schneller und bieten auch echte Leckerbissen. So habe ich eine Wohnung mit 2 anderen internationalen Studenten in der Nähe des Campus gefunden, für die ich nur 150$/Woche bezahlt habe. Dies ist vergleichsweise ein Schnäppchen, da man für ein privates Zimmer in einer WG in Spitzenlagen in der Innenstadt oder auf dem Campus schnell mal 220$/Woche bezahlt. Normal sind circa 160-170/Woche. Man findet bestimmt aber auch etwas für unter 140$, wenn man Abstriche in der Lage und Ausstattung machen kann.

Da der Personennahverkehr umständlich sein kann, wenn man weiter weg vom Campus wohnt, kann ich nur empfehlen, dass ihr euch entweder eine Wohnung entlang der Bahnlinien sucht oder direkt in Campusnähe zieht (Abhängig davon, ob der Campus in der Innenstadt oder Joondalup ist, wo ich studiert habe). Generell sind die Wohngegenden aber alle sicher und ähnlich teuer, wenn man von jenen ausgeht, die an der Bahnlinie nach Joondalup liegen.

Vom von der Universität bereitgestellten Student Village rate ich ab, da dieses äußerst teuer dafür ist, dass man mit 6 Leuten auf kleinem Raum und in die Jahre gekommene Austattung lebt. Für Studenten mit großem Budget kann man hier aber denke ich eine nette Studenten WG für ~240$/Woche kriegen. Großer Vorteil ist die Lage direkt auf dem Campus sowie die Möglichkeit, schnell Anschluss zu finden und an für die Bewohner organisierten Events teilzunehmen.

Die Stadt, Leute und Umgebung

Mein Campus lag in Joondalup im Norden von Perth, von wo die Innenstadt in 25 Minuten mit der Bahn zu erreichen ist. Der zweite Campus liegt nahe der Innenstadt in Mount Lawley. Perth ist sehr weitflächig, sodass es etwas länger dauern kann, bis man sein Ziel erreicht. Nichtdestotrotz ist das Bahn- und Bus-Netz ganz gut ausgebaut. Euer Studentenausweis fungiert gleichzeitig als Smartrider Card, die mit Bus&Bahn Guthaben aufgeladen werden kann.

Die Stadt selbst ist sehr schön. Entlang der gesamten westlichen Suburbs gibt es wunderschöne Strände, die zum Zeit verbringen, Schwimmen und Surfen einladen. Besonders kann ich die Scarborough Surf School zum Surfen Lernen empfehlen, die im gleichnamigen Suburb gelegen ist.

Perth ist eine moderne Stadt mit äußerst freundlichen Menschen und einer einzigartigen Gastro- und Kaffeeszene. Wer über das nötige Kleingeld verfügt (über sehr viel Kleingeld) wird viele top Restaurants, Pubs und Cafes finden. Hauptausgehzeit ist hier, nach europäischem Maßstab, ungewöhnlicherweise der Sonntag. Am Freitag & Samstag sowie Donnerstag, der der „late shopping day“ ist, an dem die Geschäfte bis 21 Uhr aufhaben, ist natürlich trotzdem etwas los. Generell muss man aber sagen, dass es kein exzessives Nachtleben gibt, wie man es aus deutschen Großstädten wie Köln kennt (Clubs schließen hier meist um 03:00). Northbridge ist trotzdem eine gute Anlaufstelle für Clubs, Bars und viele betrunkene Menschen. ;)

Um Perth herum gibt es für alle Reisefreudigen eine Menge zu sehen:

Da sei einerseits Rottnest Island genannt; der einzige Ort, der diese kleinen entwaffnend-süßen plüschigen Nagetiere – genannt Quokkas – beherbergt. Im Norden gibt es mit den Pinnacles eine Sandsteinwüste, die sich mit umgebender Grünflächen ziemlich fehl am Platz anfühlt und genau deswegen einen so majestätisch in den Bann zieht. Im Westen Perths liegt das künstlerische Suburb Fremantle, das aufgrund seiner entspannten Atmosphäre und den bunten Straßenverzierungen definitiv einen Besuch wert ist! Nur 30 Minuten von Perth entfernt bietet dieses Städtchen ein ganz anderes Flair als die viel beschäftigte Innenstadt von Perth. Etwa 2/3 Stunden Fahrt liegt Margaret River, dessen Region aufgrund weltweit ausgezeichneter Weine, Schokolade und Käse Probierproben nicht ausgelassen werden sollte. Sogar eine Kaffee Rösterei mit bis zu 12 verschiedenen Sorten, von denen man 3 frisch zubereitet probieren darf, gibt es.

Die Universität und das Studentenleben

Die Edith-Cowan University ist extrem gut ausgestattet. Eine Menge an verfügbaren Computern, hilfsbereiten Bibliotheks- und „Student Central“ Mitarbeitern, und ein riesiger Campus, auf dem man sich erst einmal orientieren muss, erleichtern das Studierendenleben ungemein. Eigentlich gibt es für jedes Problem eine Anlaufstelle. Die Dozenten sind gesprächsbereit und empathisch und es wird eine Vielzahl von „Study Skills“ Kursen angeboten, die man je nachdem welche Abgabeform ein Assignment verlangt, belegen kann.
Der Vorlesung konnte ich nach kurzer Eingewöhnungszeit ohne Probleme folgen, da die Inhalte sehr praktisch und kleinschrittig vermittelt werden. Diese Eindrücke gelten für die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät.

Und jetzt etwas, dass ihr nicht gern hören werdet: Während des Semesters muss eine MENGE getan werden. Weil alle Module 1:1 angerechnet werden in Deutschland und vollständig für die Bachelor-Note zählen, musste ich mich dementsprechend reinhängen. Mit einem Nebenjob noch dazu würde ich es als äußerst stressig empfinden, trotzdem gute Leistungen zu bringen, weil die Hausarbeiten sehr zeitintensiv sind; trotzdem auf jeden Fall gut machbar, wenn man sich anstrengt.

Besonders am Anfang war es etwas schwierig, Anschluss zu finden, weil das englisch Reden noch nicht so flüssig läuft und der Anteil an internationalen Studierenden gering ist, mit denen man sich anfangs austauschen könnte (um genau zu sein, habe ich nur eine getroffen, die auch nur für ein Auslandssemester dort war). Wie eingangs vorgeschlagen, könnte dort das Studentenwohnheim eine (sehr teure) Abhilfe schaffen. Oder ihr tretet einem der vielen Clubs der ECU bei, wie zum Beispiel den Jets, dem Sport Club.

Allgemein sind die Leute aber nett und hilfsbereit (Der Busfahrer lässt Euch auch gerne mal an einem Wunschort raus, solange dieser auf der Strecke liegt; in Deutschland kaum vorzustellen) und sobald man sich erst einmal eingelebt hat, ist alles ein bisschen einfacher.

 

Zur Anrechnung

Es müssen 4 Module gewählt werden, die je 15 CP zählen. Insgesamt sind 60 CreditPoints äquivalent zu 30 deutschen ECTS, wenn ihr ein ganzes Semester angerechnet haben wollt. Die einzelnen Module müssen ob Ihrer Passung zu eurem Studienfach natürlich erst mit euer Uni abgesprochen werden. Aufgrund der Größe des Campus sollte es für jede Studienrichtung die passenden Kurse geben; das solltet ihr vorher online checken, was ziemlich einfach-intuitiv geht.

Fazit, Zusammenfassung der Top Tipps

Mir persönlich hat das Auslandssemester eine Menge gebracht, weil man zwangsläufig noch einmal selbstständiger wird, wenn man in einem fremden Land alles von Wohnungssuche zu erfolgreichem Studieren bewältigen muss. Mein Englisch hat sich extrem verbessert und ich habe ein feines Sprachgefühl entwickeln können. Ich habe in einer wunderschönen Umgebung eine Menge netter Leute kennengelernt, unter denen es ein paar gibt, von denen ich sicher bin, dass wir lange Kontakt halten werden.

Schade war, dass Perth einfach sehr teuer ist (Kaffee $4 (=3€), Bier $9 (=6€), Burger mit Pommes $16 = 11€, Hochprozentiges im Supermarkt ab 30$/Flasche), sodass ich nicht ohne Sparen zu müssen mein Auslandssemester komplett genießen konnte. Bereuen, dass ich das Auslandssemester absolviert habe, tue ich aber auf keinen Fall. Besonders meine 1-monatige Reise entlang der East Coast jetzt nach dem Studium entlohnt für viel Lernen und Sparsamkeit! Fürs Reisen würde ich übrigens die West Coast empfehlen, da sie meiner Meinung nach im Vergleich zur East Coast aufgrund ihrer Unberührtheit eine größere Faszination ausstrahlt. Hier gibt es aber keine praktischen Hop on Hop off Busse, sodass ein Auto oder eine all-inclusive Tour eines Reisebüros hier notwendig ist.

Zum Abschluss noch einmal ein paar Top Tipps, falls ihr keine Lust habt den ganzen Text zu lesen:

  1. Frühzeitig mit der Bewerbung (d.h. >6Monate) beginnen, weil z.B. in meinem Fall die Universität erst ziemlich spät geantwortet hat.
  2. Früh für Auslandsbafög bewerben, auch wenn ihr noch keine Zusage habt, da die Bewilligung lange dauern kann, weil das Bafög-Amt auch trotz vollständiger Bewerbungsunterlagen ein paar zusätzliche Nachweise erfordert.
  3. Zeitig anreisen, um ggf. eine Wohnung zu finden, wenn ihr euch das teure Studentenwohnheim (ECU Village) nicht leisten könnt. Auf der anderen Seite müsst ihr nicht allzu besorgt sein, falls ihr die Orientierungswoche verpasst und schon im Studentenwohnheim eingebucht seid, weil es viele Anlaufstellen gibt, die euch helfen. Am International DAy müsst ihr teilnehmen. Dieser findet in den zwei Wochen der Orientierungstage statt.
  4. Bankkonto: Dies habe ich mit freundlicher Unterstützung des Instituts Ranke-Heinemann schon von Deutschland aus organisiert und eines eröffnet. In Australien musste ich nur zur Filiale (ANZ) gehen und konnte ein kostenloses Studenten-Bankkonto einrichten.
  5. Studentenausweis frühestmöglich abholen, da dieser gleichzeitig als mit Geld aufladbare Bahnfahrkarte fungiert.
  6. Angebote der Uni nutzen. Der writing+ Kurs hat mir sehr mit akademischen Englisch geholfen, das zwingend notwendig ist, um hier zu bestehen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Clubs und weitere Anlaufstellen, bei denen ihr Hilfe zu Allem möglichen bekommt.
  7. Rottnest Island, Pinnacles, Fremantle und die Margaret River Region besuchen! Besonders in den ersten Wochen des Studiums bietet sich das an, weil man mit – oft gleichzeitg abzugebenden- Assignments beschäftigt ist.
  8. Bringt genug Geld mit, um nicht über jeden Dollar nachdenken zu müssen! Ich habe im Monat im Schnitt $1350 (900€) gebraucht mit Miete, Essen und Freizeit Aktivitäten. Wenn man beim Essen ein bisschen spart kann man auch mit $1200 auskommen. Im Durchschnitt sind auch Touren zu den Pinnacles ($150) oder Aufgaben für Tagesausflüge enthalten. $1350 ist also ganz realistisch; ich war trotzdem relativ sparsam würde ich behaupten.
    • Die Studienbeihilfe (Erstattung von 10% der Studiengebühren oder sogar ein Vollstipendium) des Instituts Ranke-Heinemann kann hier helfen. Die Voraussetzungen, um dieses großzügige Angebot zu nutzen sind von jedem erfüllbar und die Bewerbung kinderleicht!
    • Außerdem können Auslandsbafög, DAAD Stipendium und Stipendien euer deutschen Uni Abhilfe schaffen. Als Vollpreis zahlender international Student zahlt man circa $2900 im Schnitt pro Modul, wovon das Auslandsbafög 4700€ für lau dazu steuert und darüber hinaus noch eine Monatspauschale zahlt, von der ihr einen kleinen Betrag zurückzahlen müsst. Die Studienbeihilfe ist – für Australien zumindest – mit dem Auslandsbafög kombinierbar!
    • Nehmt auf keinen Fall viel Bargeld in € mit. Der Kurs vor Ort ist signifikant schlechter als jener am Bankautomaten, durch den ihr direkt AUD bekommt.
  9. Seid offen, um eure bisherige Lebensweise ein bisschen anzupassen (Als weit entwickeltes Land ist Australien trotzdem sehr ähnlich zu Deutschland) und neue Leute und die Region kennen zu lernen.

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