Welcome to Australia, mate!

Marten Westphal | TU Berlin

Was
Wirtschaftsingenieurwesen

Studienprogramm
Graduate Certificate

Förderung
IRH Förderprogramm

30.06.2016

Graduate Certificate an der University of Technology Sydney

Studenten am Bondi Beach

Sydney on a Sunday morning

“I’m sorry for the delay we are facing right now. Our dock should have been ready an hour ago, but the airport service is behind schedule. After all it is Sydney on a sunday morning, so we are not expecting it to catch up soon.”, so die Erklärung des Flugkapitäns des Quantas Fluges, der soeben sicher mit mir am Kingsford Flughafen gelandet war, warum wir jetzt schon seit mehreren Minuten auf dem Rollfeld standen und uns nicht weiter bewegten. Nach wenigen Minuten im Land war die viel zitierte australische Gelassenheit allgegenwärtig, der australische Kapitän erklärt den internationalen Reisenden, lieber nicht zu hohe Erwartungen an das Bodenpersonal an einem Sonntagmorgen zu stellen, um zwischen den Zeilen mitteilen zu wollen: „Welcome to Australia, mate“. Aber bis zu diesem Willkommens-Kulturschock mussten schon einige Hürden genommen werden, über die es zu berichten gilt.

Vorbereitung/Bewerbung

Als sich mein Bachelorstudium im Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Berlin in den letzten zwei Semestern befand, habe ich damit begonnen, mir Gedanken über den Master zu machen. Durch einen Studiengangswechsel innerhalb des Bachelors hatte ich meine Auslandspläne bis dahin aufgeschoben, weshalb ein Auslandsaufenthalt im weiteren Verlauf des Studiums noch mehr an Bedeutung gewonnen hatte. Um meine Studienzeit abzurunden, war für mich klar, dass ich die akademische Welt in einem anderen Kulturkreis erleben musste. Zu diesem Zeitpunkt habe ich nur über ein Auslandsemester oder -jahr nachgedacht. Je genauer ich mich aber mit dem Thema Ausland beschäftigt habe, desto mehr wurde auch ein kompletter Master zur Option. Das lag nicht zuletzt daran, dass einige meiner Kommilitonen nach dem Bachelor einen ähnlichen Weg einschlagen wollten und ich mich von einer Gewissen Aufbruchsstimmung umgeben gesehen habe.

Die Wahl Australien hat dabei mehrere Gründe gehabt. Zum einen habe ich familiäre Beziehungen nach Australien, weshalb ich auch im Zuge eines Working-Holiday-Visums vor Beginn meines Studiums schon einige Monate in Australien verbrachte. Dazu kam die englische Sprache, die ich verbessern wollte, auf ein Niveau, dass wohl nur in einem Land mit Englisch als erster Sprache zu erreichen war. Mich persönlich motivierte es mehr, dass Level meiner zweiten Sprache anzuheben als eine weitere Sprache neu zu erlernen. Außerdem genießen die australischen Universitäten international einen sehr guten Ruf, weswegen ich es auch als eine positive neue Herausforderung sah.

Ab diesem Zeitpunkt habe ich mich vom Bewerbungsprozess innerhalb meiner deutschen Uni gelöst und Kontakt zum Ranke-Heinemann-Institut aufgebaut. Bis zum geplanten Masterbeginn war noch ein Jahr Zeit, was den Erfahrungswerten zufolge als ein angemessener Zeitraum angesehen werden konnte. Wie sich im weiteren Verlauf der Bewerbung herausstellen sollte, in meinem speziellen Fall jedoch fast zu wenig. Dass ich ein spezieller Fall bin, wurde mir schon in der ersten Beratung von meiner Ansprechpartnerin vorrausschauend mitgeteilt, denn ich habe Ingenieurswesen studiert. Der entsprechende Bachelor dauert in Deutschland drei Jahre, in Australien wird er jedoch fast ausschließlich in Honours-Form angeboten, was vier Jahren entspricht. Der dreijährige Bachelor wird für Masterstudiengänge, die einen vierjährigen Bachelor erfordern, nicht zwangsläufig anerkannt. Erschwerend kam hinzu, dass es kein voller Ingenieursbachelor, sondern Wirtschaftsingenieurwesen war, was kein entsprechendes Äquivalent im australischen Angebot hatte. Allerdings entscheidet jede Uni hier über Einzelfälle, genau so wie Übergangslösungen je nach individuell ausgearbeitet wird. Es blieb also nichts anderes über, als die Bewerbungen abzuschicken und auf die persönliche Rückmeldung zu warten.

Und so kam eine Übergangslösung ohne Garantien über den weiteren Verlauf von der UNSW und eine Absage von der University of Sydney oder kurz gesagt, keine Option, die für mich in Frage kam, weil ich wissen wollte, wie es nach dem Übergangssemester weitergehen würde. Bis die entsprechenden Dokumente von mir gesammelt und abgeschickt waren und die Rückmeldung der Prüfung kamen, waren schon fünf Monate vergangen, auch da die Kommunikation von den Unis bezüglich fehlender Dokumente nicht immer ganz eindeutig war.

Nach einer erneuten Suche fand ich noch einen Studiengang an der UTS, der von der Bezeichnung meinem Master in Deutschland fast identisch war, in der Hoffnung, dass die Probleme der Anerkennung so geringer sein sollten. Einen weiteren Bewerbungsprozess später kam dann auch ein Angebot von der UTS, das mir die gewünschten Garantien gab und welches ich annehmen wollte. Da waren es noch zwei Monate bis zum anvisierten Start des Studiums in Australien. Dadurch war das Problem aber noch nicht gelöst. An meiner deutschen Uni gab es einen langen Überhang was das Ausstellen von Zeugnissen angeht, was soweit ich das einschätzen kann auch an anderen Unis ein Problemen ist. Die nächsten Wochen vergingen dann damit, mit verschiedenen Hilfsdokumenten zu erklären, dass mein Bachelor bestanden war, auch wenn ich kein offizielles Dokument vorweisen konnte, das mir den Bachelor bescheinigte. So blieben mir tatsächlich noch zwei Wochen, bis ich das endgültige Studienplatzangebot hatte. Schlussendlich kam die Bestätigung des Visums zwei Tage vor Abflug, der natürlich schon deutlich früher gebucht war. So gab es am Ende deutlich mehr Anspannung und Hoffen, als ich es ein Jahr zuvor für möglich gehalten hatte.

Mein Rat an alle, die mehr als einen Austausch machen wollen, kann also nur sein, sich rechtzeitig zu bewerben, insbesondere bei unterschiedlichen Bachelorlaufzeiten. Außerdem sollte man hartnäckig nachfragen, da man im bürokratischen Prozess der Unis nur einer von tausenden ist und gerne in Vergessenheit gerät. Mein Dank gilt an dieser Stelle Frau Paul und Frau Draser vom Ranke-Heinemann-Team Berlin, die mir gegenüber immer sehr viel Verständnis aufbrachten und so dafür sorgten, dass ich selber nicht die Zuversicht verloren habe.

 

Studium

Angekommen in Australien, ging es am Montag nach jenem erwähnten Sonntag des Fluges direkt mit der Einführungswoche los. Da der Schulzyklus ein anderer ist, gab es zur Springsession fast nur internationale Studenten, die neu anfingen. Einige Neulinge, mit denen man in der Woche ins Gespräch kam, waren von der Einführungswoche im Vergleich zu ihren Heimuniversitäten eher enttäuscht. Mein eigene Bacheloreinführung endete damals jedoch schon am ersten Montag um 12 Uhr wieder, insofern war eine komplette Woche auf jeden Fall eine Verbesserung, auch wenn nicht jede Veranstaltung der Woche wirklich zielführend war, weil vieles an Erstsemestern orientiert war und fortgeschrittenen Studenten kaum geholfen hat.

Während dieser Woche hatte ich auch eine Veranstaltung, um mich in die Kurse einzuschreiben. Erst nach dieser Einschreibung bekam man Zugriff auf die Kursinformationen auf der Onlineplattform der Uni. Hier gab es eine Eigenheit der UTS, die die Einschreibungen in die Kurse für das ganze Jahr, also zwei Semester, an einem Datum im Oktober freischaltet. Allerdings gibt es natürlich nur begrenzte Kapazitäten und wenn ein neuer Student im Juli anfängt, sind diese für viele Fächer schon ausgeschöpft, weil die Einschreibung schon neun Monate läuft. Kann begründet werden, warum man einen Kurs besuchen muss (z.B. weil die Alternativen inhaltlich nicht zum vorherigen Studium passen), ist es möglich, dass die Administration die Kapazitäten entsprechend erhöht. Ich selbst musste mich so nur in einem Fall mit einer Alternative zufrieden geben, die ich sonst nicht gewählt hätte.

Allerdings sind bei dieser Veranstaltung neben mir auch erwachsene Menschen verzweifelt in Tränen ausgebrochen, weil sie dann doch nicht die Fächer belegen konnten, die sie unbedingt belegen wollten. Dieses Problem lässt sich als Student nicht umgehen, sodass ich auch keine Empfehlung geben kann. Aber ich war davon doch sehr überrascht, weil ich mir nichts Vergleichbares bekannt war und möchte Interessierte vorsorglich darauf hinweisen. Für reine Austauschstudenten trifft das Problem jedoch nicht zu. Damit ist das Problem natürlich sehr speziell, aber allgemeine Berichte über australische Unis gibt es ja auf der Ranke-Heinemann-Website schon viele, so dass ich selbst solche speziellen Hinweise besonders nützlich finde.

Zentraler Bestandteil aller Fächer in Australien ist ein „Subject Outline“. Darin ist in der Regel alles wichtige vom Professor zusammengefasst, vom geplanten Inhalt der Veranstaltung, über die zu erbringenden Leistungen mit ihren Gewichtungen bis hin zu allen verwendeten Büchern. Es steht häufig direkt nach der Einschreibung in ein Fach zur Verfügung. Dieses Outline sollte man sich, so bald man Zugriff darauf hat, durchlesen und sich in jedem Fall über die zu erbringenden Leistungen klar sein. Einige meiner Freunde erlebten hier eine böse Überraschung, als sie feststellten, dass sie, drei Tage nachdem sie im Land waren und noch vor der ersten Veranstaltung, die ersten Texte einzureichen hatten.

Das Semester ist dann neben dem Besuch der Veranstaltungen vor allem von „Assignments“ geprägt, was von Rechenaufgaben über Essays bis Case-Studies je nach Fach alles beinhalten kann. Grundsatz an der UTS, wie an fast allen australischen Unis war, das in jedem Fach mindestens drei Bewertungsgrundlagen die Note bilden. In sämtlichen meiner Fächer wurde diese Zahl jedoch tatsächlich auf fünf oder mehr gesetzt. Das Resultat waren Abgaben im Drei-Tages-Rhythmus, was im Vergleich zu meinem deutschen Studium, das im wesentlichen auf Abschlussklausuren fußte, ein großer Unterschied war. Die UTS war sich dieses Problems im internationalen Vergleich sehr bewusst, kommunizierte die resultierenden Gefahren auch früh und bot viele Hilfestellungen wie Seminare oder Drop-in-sessions für persönliche Betreuung an (alles unter dem Namen „HELPS“ zusammengefasst). Was ich aus meinem engsten Kreis an internationalen Studenten gesehen habe, musste allerdings niemand darauf zurückgreifen.

Das Niveau variierte natürlich von Fach zu Fach und Professor zu Professor, aber auch die anspruchsvolleren Assignments waren machbar. Einzig die Frequenz war eine Herausforderung, die aber von den meisten nach wenigen Wochen Eingewöhnung gemeistert wurde. Hier sollte also niemand zurückschrecken, wenn er die Titel, wie „Top 50 under 50“, mit denen sich die australischen Unis gern für ihre Reputation schmücken, liest. Das liegt zum Teil auch daran, dass weniger Wert auf Noten gelegt wird, sondern das Ziel des Professors ist, dass alle Studenten bestehen. Die Assignments waren entsprechend gestellt. Mir ist kaum ein Fall bekannt, in dem jemand hier durch ein Fach gefallen ist. An meiner deutschen Uni hingegen gab es durchaus auch Fächer mit Durchfallquoten von 50 Prozent.

Neben der Beratung für organisatorische und sprachliche Anlaufschwierigkeiten (HELPS), gibt es eine große Auswahl von weitern Angebot der UTS für Studenten. Das beinhaltet fast alle Bereiche des Lebens, es gibt auch einen ärztliche Anlaufstelle und juristische Beratung auf dem Campus. Hinzu kommt ein großes Angebot an Clubs die neben klassischen Interessen wie Sport auch Themen wie „Fine dining“ oder politische Gruppen vertreten. Hier merkt man der UTS auf jeden Fall an, dass sie sehr um das Drumherum des Studiums bemüht ist.

Der Postgraduate- bzw. Master-Teil des Studiums hat zudem in Australien einen anderen Stellenwert als in Deutschland. Er wird deutlich als Zusatz angesehen, wo er in Deutschland doch eher die Regel ist. Das führte dazu, dass die Programme auf ein Teilzeitstudium mit Vollzeitberufstätigkeit ausgerichtet waren. Mein Stundenplan bestand so nur aus Blockseminaren und Abendvorlesungen. Es war dadurch noch wichtiger sich ständig über die Abgabetermine bewusst zu sein, da man vielleicht in einer Woche noch wenig Zeitdruck hatte, aber in der darauffolgenden zum Beispiel zwei Blockseminare und keine Zeit zum Bearbeiten hat. Vorausschauende Planung war so auf jeden Fall besonders wichtig.

 

Leben in Sydney

Da ich mit meinem Bruder zusammengezogen bin, kann ich nicht so viel sagen zur Wohnungssuche. Generell ist der Markt sehr schnelllebig, dass heißt Inserierung und Vermietung erfolgen kurzfristig. Monatelang im Voraus suchen ist somit zwecklos. Das Leben in Australien ist, wenn man es mit Euro finanziert, teurer als in Deutschland, was besonders an dem Mietniveau liegt. Fast alles wird wöchentlich oder zweiwöchentlich (fortnight) abgerechnet, deshalb darf man nicht denken, dass es sich um Monatspreise handelt und diese unterschätzen. Die Preise relativieren sich, wenn man in Australien Geld verdient, da das Lohnniveau hoch ist. Allerdings ist das Visa begrenzt und die Zeit, die man nutzen möchte, um Land und Leute kennen zu lernen, fällt gleichzeitig als Zeit weg, die man vom hohen Lohn profitieren könnte. Hier muss also auch abgewogen werden und sich diese Gedanken früher zu machen kann zum Beispiel bei der Planung und Jobsuche sehr hilfreich sein. Weitere Möglichkeiten den Kostenunterschied etwas zu reduzieren, sind die Zahlreichen Fördermöglichkeiten von der UTS oder Partnern wie dem Ranke-Heinemann-Institut zum Beispiel die Studienbeihilfe in Höhe von 10% der Studiengebühren im ersten Semester, die einem den Einstieg erleichtert.

Das Freizeitangebot in der Stadt ist sehr umfangreich. Das ganze Land ist sehr sportbegeistert und so gibt es im sportlichen Bereich sehr viele Möglichkeiten, seine Zeit aktiv zu gestallten. Beachten muss man nur, wann welche Sportsaison ist. Fußball wurde zum Beispiel im Semester zum Sommer hin nicht angeboten, da es zu heiß wird und Sommersportarten wie Surfen auf dem Programm stehen. Dazu gibt es einen Eventkalender, der das ganze Jahr gefüllt ist, zum Beispiel mit dem Lichterfestival Vivid oder dem Sydneyfestival. Kulturelle Angebote sind in einer Metropole wie Sydney auch zahlreich vorhanden, aber aus meiner Sicht muss ich sagen, dass es große Variationen im Stadtgebiet gibt. In der Gegend, in der ich gelebt habe (Drummoyne im Inner West- Gebiet), gab es außer Wohnen und Sport eher wenige Angebote. In alternativer angehauchten Viertel wie Newtown oder Redfern stellt sich das aber wieder anders da. Hier kann ich nochmal einen Hinweis zur Stadt allgemein geben: Sydney verteilt sich über eine enorme Fläche. Die Distanzen können damit je nach Wohnort groß werden. Der öffentliche Nahverkehr ist gleichzeitig sehr city-zentriert. Damit kann ein Ausflug zum Beispiel nach Newtown, was wieder etwas von der City entfernt ist, oder ein Ausflug an den Strand schnell mehr Zeit als gedacht in Anspruch nehmen. Das sollte bei der Wohnortswahl bedacht werden.

Für die City gibt es seit einigen Jahren auch eine kontrovers diskutierte Sperrstunde für Alkoholausschank und Einlasssperren, der ich mit meinen Freunden mehrmals zum Opfer gefallen bin. Das Nachtleben und die Musikkultur in der Stadt ist dadurch im Vergleich zu meinem ersten Besuch stark zurückgegangen. Die „Keep Sydney Open“-Initiative setzt sich mit Demonstrationen für die Auflösung dieser „lockout-laws“ ein. Wie die Entwicklung hier weiter geht, lässt sich noch nicht vorraussehen.

Neben dem Stadtgebiet ist das Umland sehr sehenswert. Die Küste entlang ziehen sich zahlreiche Strände zum Westen gibt es die Blue Mountains und im Süden den Royal Nationalpark und alles nur eine Autostunde entfernt. Einiges ist hier mit dem Zug zu erreichen, aber ein Auto zu mieten, kann ich für Wochenendausflüge nur empfehlen, da viele Ziele nicht angebunden sind. Mein persönliches Highlight in der Umgebung ist der Grand Canyon Walk in den Blue Mountains, eine etwas anspruchsvollere Wanderung aber auf jeden Fall sehenswert, besonders wenn es in den Tagen zuvor geregnet hat und die Bäche und Rinnsale zum Leben erwachen.

Fazit

Zum Zeitpunkt des Berichts ist das erste Semester für mich verstrichen. Damit kann ich ein abschließendes Fazit noch nicht fällen. Ich würde mir auch nicht anmaßen, für so eine wichtige Entscheidung eine pauschale Empfehlung zu geben. Ich denke, jeder muss seine persönliche Situation einschätzen und kann dann eine Entscheidung fällen. Ich kann nur versuchen, die Vor- und Nachteile, die es abzuwägen gilt, mit meinen Erfahrungen etwas zu beleuchten, um bei der Entscheidungsfindung zu helfen. Ich hoffe, dass ist mir zumindest teilweise gelungen.


 


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