Zeitraum
2018 - 2019
Was
Master of Laws
Studienprogramm
Masterstudium
Förderung
IRH Förderprogramm
LL.M. nach dem Doktor, nach dem zweiten Examen und sogar nach einem Jahr als Anwalt in der Großkanzlei – macht das Sinn? Ich sage: Ja, macht es. Und ich bin überzeugt, dass es eine der besten (wenn auch herausforderndsten!) Entscheidungen meines Lebens war!
Es gibt wenig Erfahrungsberichte von Personen, die nicht nur nach dem zweiten Staatsexamen, sondern sogar nach „echtem“ Arbeitsleben diesen Schritt wagen. Da zudem jeder Bericht, den ich kenne, (zu Recht!) vom LL.M.-Jahr schwärmt, einige allerdings wenig ins Detail gehen, habe ich so viele konkrete Aspekte über Vorbereitung sowie Leben in Sydney wie möglich integriert. Mir haben solche detaillierten Berichte wirklich gefehlt und ich hoffe, dass mein Bericht so vielen von euch wie möglich eine Hilfe ist.
Ich habe meine auf drei Unis begrenzte Bewerbung auf die großen Sydney-Unis konzentriert: UTS, UNSW und die wohl prestigeträchtigste University of Sydney („USyd“).
Die Uni-Bewerbung an sich habe ich als den wohl stressfreiesten Teil der Vorbereitung in Erinnerung; die Anzahl der Dokumente war erfreulich überschaubar. Und: Das Ranke-Heinemann-Team war wirklich immer erreichbar, kompetent und hilfsbereit und konnte bei jeder einzelnen meiner zahlreichen Fragen schnell helfen. Zusätzlich ist man Teil der Ranke-Heinemann-Studienbeihilfe und des Forderprogramms und kann einen Zuschuss über 10% der Studiengebühren des ersten Semesters erhalten. Herzlichen Dank dafür!
Meinen Flug habe ich über Sta Travel gebucht. Insbesondere wenn ihr im Juli anfangt: Bucht so früh wie möglich, denn eure Flugzeit kollidiert mit der allgemeinen Ferienzeit. Empfehlenswert: Ich habe ein „Open Return Ticket“ gekauft, Hin- und Rückreise sind also bereits bezahlt, damit insgesamt günstiger als der Kauf zweier Einzelflüge und gleichzeitig kann ich das Rückflugdatum frei wählen. Tipp: Hin- und Rückflugsort müssen nicht die gleiche Stadt sein – ich fliege von Kuala Lumpur zurück, um dort noch ein wenig zu reisen!
Die gesamte Vorbereitung eines LL.M.-Jahres ist aufwändig und hat mich ehrlicherweise einiges an Kraft gekostet – insbesondere neben einem Großkanzleijob! Die einzelnen Aufgaben sind allesamt weder umfassend noch schwierig, summieren sich aber immens. Aber: Im Flugzeug ist alles vergessen, versprochen!
Ich habe mich etwa an Weihnachten entschieden, im Juli in Sydney zu starten. In diesen sechs Monaten wollte vieles organisiert werden, unter anderem: Visum, deutsche Wohnung kündigen, Auszug und Lagerung der Möbel klären, Krankenversicherung in Australien abschließen (ich habe das OSHC der Uni gewählt, das hat bisher bestens funktioniert, aber Achtung: OSHC deckt nicht Zähne und Augen mit ab). Zusätzlich kommt auf zugelassene Anwälte zu: Kammerzulassung zurückgeben oder mit neu selbst abgeschlossener Berufshaftpflichtversicherung behalten, Versorgungswerk (Rente) weiter einzahlen oder ruhigstellen, ggf. kurzfristige Arbeitslosmeldung zur Aufrechterhaltung des Anspruchs für die Zeit der Jobsuche nach dem LL.M.-Jahr. Sofern möglich, sollte man sich für Stipendien bewerben wie z.B. das Ross Waite Parsons Stipendium der University of Sydney.
Die Beantragung des Studentenvisums erfolgt online und dauert einige Stunden, die Bestätigung allerdings kam extrem schnell und erfordert keinen Besuch in der Botschaft o.ä. Praktisch!
Bank und Handy habe ich in Sydney vor Ort erledigt (Wentworth Building an der Uni). Ich habe mich für die Commonwealth Bank und Vodafone ($40 im Monat für 30 GB plus umsonst nach Europa telefonieren) entschieden; mit beiden bin ich sehr zufrieden. Hinweis: Ich brauchte für die Finalisierung der Bankanmeldung eine australische Handynummer und für die Finalisierung des Handyvertrags ein australisches Konto, so dass es hilfreich ist, wenn beide Läden nah beieinander liegen.
Das Überweisen des deutschen Geldes auf das australische Konto habe ich mit Transferwise getätigt, was gerade bei größeren Summen im Vergleich zu normalen Banken oder Paypal wirklich viel Geld sparen kann. Bonustipp: Prüft nach, ob ihr Zinsen erhaltet, wenn ihr einen Teil der Summe von eurem „normalen“ Savings Account auf den Netbank Saver legt. Bei größeren Summen können das etwa $50 im Monat sein.
Man kann es nicht schönreden – Wohnen in Sydney ist immens teuer. Dennoch: Ich möchte jedem raten, unbedingt vor Ort zu suchen und auf gar keinen Fall einen vermeintlich guten Deal im Voraus zu buchen! Alle meine Freunde, die im Vorfeld solche Zeitverträge eingegangen sind, sind unzufrieden. Lasst euch nicht von schönen Hochglanzfotos täuschen; zu viele dieser in den Anzeigen großartig aussehenden international houses haben sich live als ziemlich heruntergekommene Bruchbuden herausgestellt.
Investiert stattdessen ein wenig Zeit und Geld in die Suche. Quellen sind Seiten wie Domain oder Flatmates oder Facebookgruppen wie Sydney Flatmates oder Sydney Eastern Suburbs. Ich habe auch nach unmöblierten Zimmern geschaut, um die Auswahl zu vergrößern: über Gumtree (wie Ebay Kleinanzeigen), Ikea oder Target findet man bezahlbar eine Grundausstattung, die man mit einem der mietbaren GoGet-Autos preiswert von A nach B bekommt. Bonus meines Airbnb-Zimmers der Anfangszeit war, dass ich darüber großartige Freunde gewonnen habe und mit einer der früheren Gastgeber sogar bald zusammen in eine WG ziehe.
Welches Viertel man wählt, hängt von vielem ab: Rund um die Uni sind die hippen Viertel mit Bars, Kunstläden, Second Hand Shops etc.: Newtown, Glebe, Chippendale. Das schicke Surry Hills und Paddington liegen etwa in der Mitte zwischen USyd und den Stränden. Die Strandviertel sind natürlich auch toll zum Wohnen. Plant in eure Kosten mit ein, dass LL.M. students bisher leider keine Vergünstigungen für den public transport bekommen.
Die Stadt an sich ist einfach traumhaft: Die bekannten Stadtstrände wie Bondi oder Manly oder auch die weniger bekannten wie Bronte oder Shelly sind wunderschön und lassen sogar wenig wasseraffine Menschen (wie mich) zu leidenschaftlichen Surfern werden.
Es gibt an jeder Ecke Pubs und Bars mit Live-Musik, public barbecue places an den Stränden und in Parks, Kunstgalerien (White Rabbit!), das pulsierende Chinatown, die Oper… Die Liste ist endlos und Sydney bietet für jeden etwas. Beste Quelle, um nach und nach alle „non-touristy“ Sydney-Highlights kennenzulernen und keine Events wie Festivals oder Markets zu verpassen: die Webseiten timeout und concrete playground.
Ausgehen ist trotz der strikten, von vielen als weitere Ausprägung des australischen „nanny states“ kritisierten Lock Out Laws (die seit einigen Jahren Clubeintritt nach 1.30 Uhr und Alkohol auf der Straße in den meisten Stadtteilen verbieten) dennoch nach wie vor ein großer Spaß.
Günstige Supermärkte sind Coles oder Aldi. Tipp: Das gleiche Produkt vom gleichen Hersteller kann sich je nach Geschäft drastisch im Preis unterscheiden; insbesondere für Kosmetik oder generell „dm-Bedürfnisse“ würde ich immer zu Chemist Warehouse oder Priceline Cosmetics gehen. Vergleichen lohnt sich!
Mein Tipp ist: Nehmt alles an Erlebnissen mit, was möglich ist: Bewerbt euch für das USyd-Welcome-Dinner und sitzt neben der Chancellorin bei einem schicken Dinner in der Great Hall (traumhaft!), geht zum Annual Law Ball, macht bei Hackathons mit: Stadt und Uni bieten unzählige Möglichkeiten für Erlebnisse, an die man sich für immer erinnern wird!
Die Unizeit hat für mich mit der orientation week begonnen. Ich empfehle euch, alle Veranstaltungen mitzunehmen. Manche sind sehr hilfreich, manche womöglich überflüssig, aber alle bieten die Gelegenheit, neue Freunde kennenzulernen!
Der Campus von USyd ist traumhaft schön und erinnert mit seinen alten Sandsteingebäuden und gepflegten Rasenflächen an Harry Potter. Man sieht an jeder Ecke, wohin die Studiengebühren gehen: Die Jurafakultät und die Off- und Onlinebibliotheken sind zahlreich und hervorragend ausgestattet, die Bibliothek hat 24 Stunden am Tag geöffnet und als I-Tüpfelchen bietet USyd während der Klausurenphase allerlei „Seelenpflege“ wie kostenlosen, zum Tisch gebrachten Kaffee und Obst oder wöchentliche Therapiehunde auf den Campus.
Das klassische Campusleben mit wirklich guten Restaurants und Cafés genieße ich nach so langer Uniabwesenheit sehr. Eine weitere tolle Sache sind die zahlreichen Societies, in denen sich Interessierte zusammenfinden, um sich gemeinsam mit Kunst, Essen, Sport, Religion oder Sprachen zu beschäftigen. Diese Societies sind eine großartige Gelegenheit, spannende Leute aus Australien und der ganzen Welt kennenzulernen.
Die Vorlesungen finden entweder regulär jede Woche oder im intensive mode statt, sprich man hat 4 Tage im Semester den gesamten Tag Vorlesung und bereit den Rest des Semesters in Eigenregie Readings, Essays, Präsentationen etc. vor.
Das bringt mich zum nächsten Punkt: Wer erwartet, der Titel würde einem „hinterhergeworfen“ – völlig falsch. USyd ist eine der Top 15 Jurafakultäten der Welt und die meisten Professoren stellen hohe Anforderungen an die Qualität der Leistungen. Es ist alles machbar und hängt mit Sicherheit auch maßgeblich von den konkret gewählten Kursen ab; ich persönlich hatte aufgrund der schieren Menge der Aufgaben wirklich viele sehr arbeitsintensive Wochen. Das bringt einen aber alles nicht um, optimiert die Arbeitseffizienz und die Fähigkeit zu priorisieren und die wirklich spannenden classes verfeinern das Englisch und das Wissen enorm. Zudem schweißen Nachtschichten immens mit den neuen Freunden zusammen – und es nahen dann ja auch irgendwann die Semesterferien.
Die Notenskala wird in Prozent gemessen und es gibt die Notenschwellen 50% (bestanden), 65% (Credit), 75% (Distinction) und 85% aufwärts (High Dinstinction). Letzteres ist nach meinem Verständnis eine eher seltene Note und vielleicht vergleichbar mit 12-13 Jura-Punkten in Deutschland – erreichbar insbesondere in einzelnen Aufgaben, aber etwas Besonderes für eine Gesamtnote.
Meine Vorlesungen wurden zum großen Teil von bereits Berufstätigen besucht. Die Professoren, die man beim Vornamen anspricht, sind ausgesprochen zugänglich und hilfsbereit; das Klima ist viel offener und auf gemeinsame Diskussion fokussiert als man es aus Deutschland kennt. Als assignments musste ich bereits im ersten Semester die volle Bandbreite abdecken: Präsentationen halten, diverse Essays von etwa 2 bis zu 25 Seiten verfassen, reguläre Klausuren schreiben, sich in class discussions beweisen und Take-Home-Exams absolvieren.
Ich habe einen Pharma-/Medizinrechts-Hintergrund. Dennoch habe ich bewusst einige Vorlesungen gewählt, die sich auf etwa auf IP oder internationales Corporate Recht beziehen und genieße es sehr! Gerade wenn man bereits gearbeitet hat, kann man meines Erachtens die Chance hervorragend nutzen, die juristischen „Fühler“ auszustrecken und Neues außerhalb seines üblichen Komfortbereichs zu lernen – insbesondere, wenn dieses neue Wissen bestens mit dem eigenen Rechtsgebiet verbindbar ist.
Ich stehe kurz vor dem großen „klassischen“ Trip der Ostküste mit Great Barrier Reef, Whitsundays, Byron Bay und freue mich genauso auf die Northern Territories und Uluru sowie Western Australia im nächsten Jahr. Was mir im Vorfeld gar nicht so klar war: News South Wales hat schier unglaubliche Natur vor Haustür (und sonntags kostet Zugfahren durch ganz NSW nur $2,90 den ganzen Tag): In den Blue Mountains, nur etwa anderthalb Stunden von Sydney, kann man Canyoning und Abseiling machen oder einfach durch den Regenwald hiken; genauso Jervis Bay und Kangaroo Valley, Port Stephens, Palm Beach oder Myall Lakes sind beeindruckend schön und bieten neben australischem Buschland fantastische Tauch-, Schnorchel- und Surfstrände.
Ich bin mit meiner Entscheidung unglaublich glücklich und möchte jetzt schon, im fünften Monat, nichts mehr von den gemeisterten akademischen Herausforderungen, den Erlebnissen und den neuen Freunden missen. USyd ist eine großartige, fordernde Universität und Sydney eine der schönsten Städte, die ich kenne. Und gerade mit der Unterstützung von Ranke Heinemann funktioniert die Bewerbung bestens. Daher mein, natürlich subjektiver, Tipp: Wenn man intensiv darüber nachdenkt, einen LL.M. im Ausland zu absolvieren (sodass man sich sogar bis zum Ende dieses Erfahrungsberichts kämpft), spricht vieles dafür, dass der Wunsch bereits stark gewachsen ist, noch einmal „herauszukommen“. Ein solches Abenteuer ist so anders und ehrlicherweise schlicht tausend Mal aufregender und erfüllender als „einfach nur“ zu reisen und verbessert gleichzeitig enorm das juristische Wissen, Englisch und die Fähigkeit international sozial wie juristisch souverän aufzutreten. Ich habe mir daher gedacht, dass man nie weiß, ob man später im Leben noch einmal die Chance zu einem solchem Abenteuer haben wird. Daher: Go for it!