Wo
The University of Melbourne
Zeitraum
2016 - 2017
Was
Rechtswissenschaften
Studienprogramm
LL.M. Master of Laws
Förderung
IRH Förderprogramm
Da ich während meines Studiums bis zum Staatsexamen keinen Auslandsaufenthalt absolviert hatte, plante ich schon länger mit dem Gedanken doch nach bestandenem ersten Staatsexamen einen Master of Laws (LL.M.) anzuschließen. Wie so oft blieb es bei mir zunächst beim guten Vorsatz. Die teilweise sehr langen Bewerbungsfristen für die Universitäten in Großbritannien und den Vereinigten Staaten sowie die dabei zu zahlenden Gebühren schreckten mich ein wenig ab. Zudem scheint es bei vielen Universitäten mittlerweile die Regel zu sein, dass der bestandene Sprachtest mit der Bewerbung eingereicht werden muss und nicht nachgereicht werden kann. Dies schien mir alles während der Examensvorbereitung doch etwas aufwendig, zudem bei den bekannteren Universitäten teilweise auch noch Schriftproben in Form englischer Aufsätze einzureichen sind.
Bei meinen Suchen nach möglichen Masterprogrammen war mir die Uni Melbourne bereits ins Auge gestochen, weil sie die einzige „Top 10“ gerankte Uni war, die nicht in Großbritannien oder den Vereinigten Staaten verortet ist. Da ich eigentlich gern versuche etwas abseits vom Mainstream zu schwimmen, hatte ich mir Melbourne bereits längere als eine gute Option vorgemerkt. Als ich sodann beim Googlen herausfand, dass es nach Umfragen die lebenswerteste Stadt der Welt sei, war ich interessiert. Schließlich eröffnete sich mir im Oktober 2015 recht überraschend noch die Möglichkeit einen Stipendiums für einen Auslandsaufenthalt. Daher bewarb ich mich recht kurzfristig an der University of Melbourne, es blieb nur noch eine Woche. Recht verzagt aber mit der Gewissheit nichts verlieren zu können rief ich sodann beim Ranke-Heinemann Institut an, wo man mir mitteilte, dass sei alles kein Problem und die Frist zu schaffen. Zudem gab es gleich noch ein Stipendium vom Ranke-Heinemann Institut mit einer Studiengebührenförderung dazu. Besser und schneller geht es eigentlich nicht, dachte ich mir, absolvierte im Dezember den IELTS-Test saß Mitte Februar im Flugzeug nach Australien!
Die Universität selbst ist eine Institution in Melbourne wie in Australien und belegt zusammen mit den Krankenhäusern und Wohnheimen einen eigenen Stadtteil ca. 15 Minuten zu Fuß vom Stadtzentrum entfernt. Die Law School besitzt ihre eigenen großzügigen Räumlichkeiten, welche nicht zu wünschen übrig lassen. Die Uni selbst bietet, was eine Uni bieten kann: Eine unendliche Fülle an studentischen Organisationen und Projekten, Sportmöglichkeiten, Kultur-, Musik- und sonstige Festivitäten.
Das Masterprogramm und das Studium selbst unterscheiden sich extrem von dem, was man aus Deutschland kennt. Im Masterprogramm müssen acht Kurse belegt werden. Sind diese alle erfolgreich bestanden, wird der Mastertitel verliehen. Diese acht Kurse kann man sich frei aus 160 Masterkursen wählen. Dabei reicht die Spannweite von noch recht klassischen Kursen wie „Comaprativ Constitutional Law“ bis zu echten Exoten wie „International Petroleum Transactions“ oder „International Sports Employment Law“. Einziger Wermutstropfen ist, dass Studenten aus dem Civil Law Rechtskreis zwangsweise den Kurs „Fundamentals oft he Common Law“ belegen müssen.
Die erste Besonderheit neben der Fülle der Kurse ist die Tatsache, dass 90% dieser als Intensivkurse in einer Woche gehalten werden. Das heißt, dass man ca. 4 Wochen vor dem Kurs einen 200-800 seitigen Reader erhält und sich einarbeitet. Im Kurs wird dann 5 Tage von früh bis spät intensiv die Materie besprochen. Im Anschluss folgt das Examen, welches entweder aus einem ca. 30 seitigen über einen Zeitraum von 6-10 Wochen anzufertigendem Paper oder einem viertägigen Take-Home Examen besteht. Dieser zunächst ungewöhnliche Ansatz hat mehrere positive Konsequenzen: Zunächst ermöglicht er der Law School nahezu jeden weltweit tätigen renommierten Experten als Dozenten zu gewinnen, da ein einwöchiger Australienaufenthalt keine dauerhafte Verpflichtung ist. Ferner wird so eine deutlich intensivere und fokussierte, wenn auch ab und an physisch erschöpfende Auseinandersetzung mit dem Stoff in der Intensivwoche ermöglicht. Schließlich ergeben sich durch diese Gestaltung sehr viele Möglichkeiten für kürzere oder längere Ausflüge ins Umland und in die Natur Australiens.
Am positivsten überraschte ich die Zusammensetzung der Kursteilnehmer. Der große Vorteil des Studiums „am anderen Ende der Welt“ liegt darin, dass neben den obligatorischen Deutschen (ca. 3%) wirklich Menschen aus den unterschiedlichsten Regionen anzutreffen sind, wobei die Mehrheit sich ganz klar auf Asien konzentriert. Tatsächlich war für mich die Erwartung in Australien mit mehr Menschen aus dem nicht -westlichen Kulturkreis zusammenzutreffen als in Großbritannien oder den USA ein wichtiges Entscheidungskriterium. Insoweit wurde ich nicht enttäuscht: Neben einigen Europäern und Nordamerikanern (insgesamt ca. 10 %) stammen viele Studierende aus China und Indonesien sowie kleinere Gruppen aus allen denkbaren asiatischen Ländern bis hin zur Mongolei und Papua-Neuguinea. Aber auch aus Südamerika, hier vor allem Chile, Peru, Ecuador und Brasilien bis hin zu Trinidad and Tobago gibt es viele Kommilitonen.
Diese große Mischung an unterschiedlichen Kulturen an der Universität macht für mich einen wesentlichen Reiz des Studiums aus. Die Universität ist zudem bemüht durch diverse Events den Austausch unter den Studenten zu fördern. Diese sind durchaus nett aber meist auch gar nicht nötig.
Melbourne wurde nicht umsonst mehrmals zur lebenswertesten Stadt gewählt. Es gibt eine unüberschaubare Anzahl an Straßenfesten, Food-Festivals, Kultur- und Kunstveranstaltungen und sportlichen Events. Dazu kommen Musikfestivals in Melbourne und den angrenzenden Bundesstaaten (South Australia nutzt den Slogan „The Festival State“). Aufgrund der langen Einwanderungsgeschichte Australiens (Tipp: Unbedingt ins Immigration Museum in Melbourne gehen) gibt es eine riesige Vielfalt an Restaurants und Möglichkeiten sich kulinarisch inspirieren zu lassen. Im Supermarkt gibt es teilweise separate Abteilungen für italienisches, griechisches, thailändisches, chinesisches, nahöstliches oder mexikanisches Essen.
Neben dem Kulinarischen und der Kultur ist Melbourne auch das Zentrum des Sportbegeisterten Australiens. Hier gibt es die meisten Australian Football Vereine (Ein Besuch im Stadion lohnt sich immer), der Tag des Pferderennens ist Feiertag ebenso wie der Tag der Auswahlspiele für die nächste Cricket-Saison.
Wer persönlich Sport treiben möchte kann beim Unisport jede erdenkliche Sportart finden oder einfach mit der S-Bahn oder Straßenbahn zum nächsten Strand fahren. Denn, das sollte man nicht vergessen, wie fast alle großen australischen Städte liegt Melbourne auch am Meer. Im Sommer schnell die Badesachen einzupacken und nach Brighton oder St Kilda zum Strand zu fahren ist jederzeit möglich und stets zu empfehlen. Wenn man bleibt bis es dunke wird, kann man sogar noch die Pinguine anschauen. Wer lieber ein paar Tage für die Erholung einplant ist mit dem Auto in ungefähr 2 Stunden an der Great Ocean Road und kann die ganze Pracht der australischen Natur genießen. Entlang der Great Ocean Road finden sich zudem ungezählte Strände und kostenlose Campingplätze, besser kann man einen Sommer nicht verbringen. Dass man dabei mitten in der Natur ist merkt man spätestens, wenn man nachmittags in der Ferne die ersten Kängurus herumhüpfen sieht. Dann möchte man fast gar nicht mehr zurück nach Melbourne.
Doch zurück in Melbourne beim Feierabendbier in einer der studentischen Kneipen in Carlton ist man sich dann gewiss, dass man eigentlich auch nicht wieder aus Melbourne zurück nach Deutschland möchte. Dies umso mehr, wenn die Rückreise im ewig langen australischen Sommer ansteht und die Aussichten für Deutschland Trübes verheißen.
Ich kann sagen, dass ich denke großes Glück gehabt zu haben dank des Ranke-Heinemann Institutes sehr unkompliziert und kurzfristig nach Australien kommen zu können. Ich kann jedem ein Auslandsjahr in Australien empfehlen, die Erfahrungen mit den Kommilitonen unterschiedlicher Kulturkreise und die wunderbare Natur werde ich in jedem Fall misse; ich hatte zum Beispiel nie zuvor erlebt der einzige „Westler“ in einer Universitätsveranstaltung zu sein. Den Juristen kann ich den Master ans Herz legen, insbesondere denjenigen, welche noch überlegen im Anschluss eine Promotion zu beginnen, da in Melbourne großer Wert auf das akademische Schreiben gelegt wird und es ein extra Institut gibt, was sich allein der Lehre vom Schreiben juristischer Texte widmet (Legal Academic Skills Center) und die Studenten bei ihren Arbeiten betreut.
Melbourne ist ein Auslandsaufenthalt wie ihn man sich besser nicht wünschen kann und Australien ein großartiges Land für die mit jedem Auslandsaufenthalt zu verknüpfenden Reisen!