Mein Semester im Hobbitland

Julia Horn | Studentin der Uni Bamberg

Wo
University of Canterbury

Zeitraum
2018

Was
Wirtschaftsinformatik

Studienprogramm
Auslandssemester

Förderung
IRH Förderprogramm

31.12.2018

Ich bereue keine Sekunde

Neuseeland wird von den meisten wohl automatisch mit der „Herr der Ringe“-Trilogie assoziiert. Und ich muss zugeben, dass auch ich nicht viel mehr von dem Land am anderen Ende der Erde wusste, bevor ich entschied dort ein Auslandssemester zu verbringen. Aber gerade das hatte mich gereizt. Vor meinem Austauschjahr in den USA hatte ich durch unsere mit amerikanischen Serien gefüllten Fernsehkanäle schon eine ungefähre Ahnung wie das Leben in den USA vielleicht sein könnte. Beim zweiten Mal wollte ich einen komplett entgegen gesetzten Ansatz wählen: ein Semester in einem Land verbringen, von dem ich nur sehr wenig bis gar nichts weiß. Dazu kam, dass Englisch die Fremdsprache ist, die ich mit Abstand am besten beherrsche und ich mich sehr für schöne Landschaften begeistern kann. Aus diesen Gründen entschied ich mich für ein Auslandssemester in Neuseeland.

Die Wahl der Universität und der Bewerbungsprozess

Nun musste zunächst geklärt werden welche Universität in Neuseeland am geeignetsten für mich war. Begrenzt war meine Auswahl dadurch, dass nicht jede Universität in Neuseeland ein Masterprogramm in Wirtschaftsinformatik anbietet. Hier war mir das Ranke-Heinemann Institut eine große Hilfe: sie konnten mir während eines Telefonats innerhalb kürzester Zeit diejenigen neuseeländischen Universitäten auflisten, die ein entsprechendes Programm anbieten. Auf Basis dieser Auswahl, und auch weil mir von etlichen Bekannten gesagt wurde, dass die Südinsel die schönere Landschaft zu bieten hat, entschied ich mich dann für die University of Canterbury in Christchurch. Der Bewerbungsprozess wurde jedoch durch mein Fach und die Beschränkung auf Masterkurse überraschend sehr in die Länge gezogen und verkompliziert. Der Wirtschaftsinformatik-Master ist an der University of Christchurch Bestandteil eines speziellen Programms, ähnlich einem MBA. Dementsprechend waren meine Kurszeiten nicht auf Basis der üblichen Semesterzeiten, sondern auf Basis von Terms. Diese beginnen zwar teilweise gleichzeitig mit dem regulären Semester, aber haben andere Ferienzeiten und dauern insgesamt über einen längeren Zeitraum. Auch war es schwieriger Plätze in der beschränkten Auswahl an Kursen, für welche mir meine Heimatuniversität ECTS anrechnen wird, zu bekommen. Gründe dafür waren, dass die geringe Anzahl an verfügbaren Plätzen oft bereits vergeben war, oder dass sehr spezifische Vorkenntnisse gefordert wurden. Insgesamt sind deshalb zwischen dem Versand meiner Bewerbungsunterlagen und dem Studienplatzangebot 4 Monate vergangen. Aus diesem Grund würde ich jedem empfehlen die Bewerbung möglichst frühzeitig abzusenden.

Unterkunft

Was mich als Deutsche, die gewöhnt ist Mietverträge oft bis zu 3 Monate im Voraus abzuschließen, nervös gemacht hat, war die Tatsache, dass ich ohne konkrete Aussicht auf eine permanente Unterkunft in Neuseeland gelandet bin. Tatsächlich hat sich diese Sorge jedoch als völlig unnötig herausgestellt. In Neuseeland ist der Wohnungsmarkt sehr kurzfristig und, zumindest in Christchurch, sehr zugunsten des Mieters. Die Miete wird wöchentlich gezahlt und Kündigungsfristen von nur einer Woche sind nicht unüblich. Dementsprechend sind auch kurzfristige Wohnungssuchen in der Regel kein Problem. Dazu kommt, dass in Christchurch mehr WG-Zimmer verfügbar sind, als es Bewerber gibt. Dementsprechend hat man als Interessent regelmäßig zwischen mehreren Angeboten die Auswahl. Deshalb hatte ich bereits nach 4 Tagen in Neuseeland die Zusage für mein Wunschzimmer. Erwähnt werden sollte auch, dass man von Seiten der University of Canterbury als Austauschstudent auch Anspruch auf ein Zimmer in einem der zahlreichen Wohnheime hat. Allerdings werden auf Grund der Nähe zum Campus oft deutlich überdurchschnittliche Mietpreise verlangt. Zusätzlich dazu haben mir etliche Bewohner von Christchurch davon abgeraten nahe der Universität zu wohnen, da es dort wohl vermehrt zu Wohnungseinbrüchen kommt.

Da ich im Juli, das heißt mitten im neuseeländischen Winter, in Neuseeland angekommen bin, muss jedoch hinsichtlich der Unterkünfte ein weiteres Thema erwähnt werden: die (mangelnde bzw. nicht vorhandene) Isolierung der Häuser. Viele Häuser sind überhaupt nicht isoliert und haben einglasige Fenster. Auch die Häuser, die isoliert sind, können diesbezüglich nicht mit Häusern in Deutschland verglichen werden. Neuseeländer sind das gewöhnt, aber wenn man als Europäer aus dem sonnigen Deutschland kommt, lassen einen die Innentemperaturen, vor allem in Winternächten, ziemlich frieren. Bei der Wohnungssuche darauf zu achten, dass die Bleibe doppelglasige Fenster und wenigstens ein Minimum an Isolierung hat, würde ich jedem Deutschen, im wahrsten Sinne des Wortes, wärmstens ans Herz legen.

Reisen

Christchurch bietet sich hervorragend für Reisen auf der Südinsel an. Etliche Ziele wie die Hot Pools in Hanmer Springs, die Wale und Delfine in Kaikoura und das französisch anmutende Dorf Akaroa auf der Banks Peninsula können in einfachen Tagestouren erreicht werden. Auch für größere Touren auf der Südinsel wie Fahrten zum Abel Tasman Nationalpark und Queenstown ist Christchurch eine gute Ausgangsbasis. Und wenn die Fahrten dorthin auch gerne mal über 5 Stunden dauern können, kommt einem dies nur selten so lange vor. Durch die wunderschönen Landschaften, die tatsächlich so aussehen, als würde jeden Moment ein Hobbit um die Ecke kommen, hält man sowieso regelmäßig an, um Fotos zu machen. Wenn es jedoch darüber hinaus gehen soll, ist dies auch kein Problem, da der Flughafen in Christchurch nicht nur Direktflüge auf die Nordinsel, sondern auch nach Australien und diverse Pazifikinseln anbietet. Apropos Pazifikinseln: wenn man schon einmal „in der Gegend“ ist (zumindest verhältnismäßig gesehen), sollte man es, wenn irgendwie möglich, definitiv versuchen einen Ausflug auf eine der zahlreichen Pazifikinseln zu machen. Durch diverse Online-Sparangebote der Reisebüros und Airlines muss man dafür auch nicht zwingend ein Vermögen aufbringen. Die hellblauen Lagunen mit teils menschenleeren Stränden und Kokosnusspalmen sehen wirklich wie auf der Fototapete aus – nur besser.

Studium

Das Studium in Neuseeland ist vor allem hinsichtlich der Notengebung sehr anders als in Deutschland. Abschlussklausuren bildeten bei mir nur jeweils 40-60% der Endnote. Die restlichen Punkte werden durch verschiedene Assignments erbracht. Diese Assignments können sehr unterschiedlich ausfallen. In einem Kurs wurden wir sogar aufgefordert wissenschaftliche Artikel in einem selbst gedrehten Video unterhaltsam und möglichst mithilfe einer Storyline, zu präsentieren. Das Verhältnis zu den Professoren ist locker und man spricht diese üblicherweise mit den Vornamen an. Jedoch wird viel Leistung in Eigenarbeit verbracht. Tatsächlich hatte ich maximal 6 Stunden Vorlesung pro Woche – die restliche Zeit wurde mit Selbststudium verbracht. Für dieses Selbststudium ist es leider keine Seltenheit, dass man sich bestimmte Lehrbücher kaufen muss. Die Kosten für diese Lehrbücher kommen dann leider noch zu den – aus deutscher Perspektive – horrenden Studiengebühren dazu. Die hohen Studiengebühren begründen sich unter anderem darauf, dass Neuseeland von ausländischen Studierenden teils ein Vielfaches der Studiengebühren für einheimische Studenten verlangt. Dementsprechend kann es sich wirklich lohnen sich für eines der PROMOS-Stipendien des DAAD zu bewerben, da man mit diesen oft „domestic“ statt „international fees“ bezahlt. Falls man das Stipendium jedoch nicht bekommt, kann man sich mit der Studienbeihilfe des Instituts Ranke-Heinemann immerhin 5% der gezahlten Studiengebühren nachträglich erstatten lassen.

Fazit

Ich bereue keine Sekunde meines Auslandssemesters an der University of Canterbury und würde es jedem empfehlen. Letztendlich gibt es kein Versprechen, dass es eine gute Zeit wird. Man muss immer selbst versuchen das Beste aus der Zeit zu machen, die man in Neuseeland ist. Aber wenn man nicht alles mit der Heimat vergleicht, so manche neuseeländische Standards einfach akzeptiert und sich Zeit für die Ausflüge nimmt, die man machen möchte, stehen die Chancen gut, dass der Aufenthalt in Neuseeland zu einer der besten Zeiten im Leben werden könnte.

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