Doktorarbeit im Land der weißen Wolke

Hendrik Schultz | Student der Meeresbiologie, Kiel

Wo
The University of Auckland

Zeitraum
2014 - 2017

Was
Doktorarbeite über Aspekte des Seevogelschutzes

Studienprogramm
PhD

Förderung
New Zealand International Doctoral Research Scholarship, NZIDRS

30.04.2017

Meine Doktorarbeit im Land der langen weißen Wolke - über Seevögel, barfüßige Kiwis und versteckte Inselparadiese

PhD in Neuseeland

Vorgeschichte

Eigentlich wollte ich nach meinem Studium der Meeresbiologie in Kiel erst einmal ehrlicher Arbeit nachgehen, vielleicht irgendwo Fuß fassen und ein bescheidenes Leben führen. Als ich dann eine Stellenausschreibung las, in der nach einem deutsch-sprachigen Whale-watching Guide in Reykjavik, Island gesucht wurde, war ich Feuer und Flamme. Ein Bewerbungsgespräch via Skype und nur wenige Wochen später fand ich mich auf einem Whale-watching Boot auf Island wieder - was für eine Erfahrung! Natur pur mitten auf einem Boot in der rauen See Islands und um mich herum Delfine, verschiedene Walarten und Seevögel. Nun hatte ich auf dem Boot in Island ja ausreichend frische Luft zur Verfügung, um mein Gehirn mit Sauerstoff zu versorgen und wenn man nicht gerade seekrank ist, lässt es sich wirklich gut nachdenken während man den Blick in die Ferne schweifen lässt. Jedenfalls hatten mich Seevögel bereits vor meinem Studium interessiert und obwohl ich sie während meines Studiums fast vergessen hatte, entdeckte ich hier auf Island eine lange, durch Laborarbeit und andere studienbedingte Ablenkungen, unterdrückte Leidenschaft wieder. Auf einmal wusste ich was zu tun war, was ich wirklich machen wollte - das Hobby zum Beruf machen und Seevögel studieren. Nur wo? Zwar besticht Island durch eine ausgeprägte Seevogel-Vielfalt, doch ist es selbst im Sommer immer frisch und im Winter abgesehen von ein paar Polarlichtern dunkel. Freunde hatten mir bereits zuvor vom Land der langen weißen Wolke am anderen Ende der Welt erzählt, einem Ort an dem das Gras grüner, der Himmel blauer und der Honig süßer sein sollte. Zudem gibt es in Neuseeland so viele Seevogelarten wie sonst an kaum einem anderen Ort in der Welt. Ich beschloss, mich um eine Doktorarbeit in Neuseeland zu bewerben.  

Die Studienplatzbewerbung in Neuseeland

Nun gibt es den Platz an der Sonne nicht umsonst und ein Studium in Neuseeland bedarf vieler Vorbereitungen und normalerweise Zeit. Wenn man nicht zufällig dem alten Landadel angehört und Geld eine Rolle spielt ist das allerwichtigste das passende Stipendium. Studiengebühren Down Under sind teuer, von den Lebensunterhaltungskosten ganz zu schweigen. Für die Bewerbung um ein Stipendium sollte man ein paar Monate Zeit erlauben, denn der Postweg nach Neuseeland kann schon mal ein paar Wochen dauern und es gibt viel vorzubereiten, unter anderem Sprachtests, Beglaubigungen, Research Proposals und Empfehlungsschreiben. Ein Blick auf den Kalender verriet mir, dass ich all diese Zeit nicht hatte - wie immer alles "last minute". "Wäre ja sonst auch langweilig", meinte meine Mutter sarkastisch im Skype Gespräch. Auf Island gibt es über das ganze Jahr gerademal zwei TOEFL Tests und ich hatte genau sechs Tage Zeit mich für den nächstmöglichen Sprachtest vorzubereiten. Von diesen sechs Tagen war ich fünf auf dem Boot eingeteilt - so viel zum ruhigen und bescheidenen Leben nach dem Studium. Was soll's, ich war schon immer Optimist und wenn man etwas wirklich will dann kann man es auch schaffen sagte ich mir, ich musste es auf jeden Fall versuchen. Ich vertraute einfach darauf, dass meine Englischkenntnisse ausreichen würden - was blieb mir auch anderes übrig. Als Vorbereitung schaute ich mir Beispielaufgaben an, eine Methode die ich jedem weiterempfehlen kann, der den TOEFL noch vor sich hat. Das wichtigste ist meiner Meinung nach zu wissen was auf einen zukommt und man muss kein Oxford Englisch sprechen, um den Test gut zu bestehen. Lange Rede kurzer Sinn, das mit dem TOEFL hat geklappt und auch das mit dem Stipendium (New Zealand International Doctoral Research Scholarship, NZIDRS) und dem Studienplatz (University of Auckland). An dieser Stelle nochmal ein ganz großer Dank an die Ranke-Heinemann Stiftung, die mir das alles um so vieles erleichtert hat. Wenn ich Fragen hatte, bekam ich stets am selben oder nächsten Tage Bescheid. Die Stiftung unterstützt euch maßgeblich bei eurer Bewerbung um Stipendium und Studienplatz und übernimmt sogar die Kommunikation mit der Uni Down Under für euch. Damit spart ihr eine Menge Zeit, Geld und vor allem Nerven! Sei es für Beglaubigung von Dokumenten oder die Kosten für den TOEFL Test, die Stiftung hat es übernommen. Fast zu gut um wahr zu sein oder? Ich habe mich gerade gekniffen, es scheint ich sitze wirklich hier in Auckland und schreibe diesen Bericht!

Leben in Neuseeland

Die Universität Auckland

Verschlagen hat es mich im Endeffekt nach Auckland im Norden Neuseelands und mein Doktorstudium bestreite ich hier an der Universität Auckland mit Schwerpunkt Seevogel-Ökologie. Die Uni Auckland ist wirklich gut ausgestattet - sicherlich ein Resultat der relativ hohen Studiengebühren. Vorlesungssäle sind modern gestaltet, Computerlabore bestechen durch moderne Technik und das Kursangebot kann sich durchaus sehen lassen. Speziell für internationale Doktoranden gibt es wöchentlich verschiedene Workshops bei denen man sich kostenlos zur Weiterbildung anmelden kann. Hier werden Dinge behandelt, die einem helfen sollen das Doktorstudium erfolgreich abzuschließen, zum Beispiel wie schreibe ich ein Thesis Proposal oder wie gestalte ich ein Poster für eine Konferenz - wirklich hilfreich! In der Biologie teilen sich Doktoranden einen großen Saal in dem jeder einen eigenen großzügig gestalteten Schreibtisch mit eigenem Computer bekommt. Die Uni stellt jedem Doktoranden einen Laptop oder PC - die Wahl liegt bei Dir! Was Forschungsgelder angeht bedeutet Neuseeland eine Umstellung. Wer nahezu unbegrenzte Mittel großer deutscher Forschungsinstitute gewohnt ist muss sich hier neu eingewöhnen - zumindest in der Biologie. Doch wer sucht der findet, es gibt viele kleine Gelegenheiten Forschungsgelder zu beantragen und die Erfolgsquote ist überraschend hoch - ohne Fleiß kein Preis und mühsam ernährt sich das Eichhörnchen!

Das Campusleben

Der City Campus der Uni Auckland ist sehr studentenfreundlich gestaltet. Hier treffen sich Studenten aus aller Welt zwischen den Kursen und entspannen in einem der vielen Cafés oder stillen ihren Hunger an einem der zahlreichen Essensstände. Wer gerne vegan speist kommt auch nicht zu kurz, der Veganer Club serviert bis zu zweimal die Woche zu fairen Preisen veganes Essen auf dem Campus - das schmeckt auch mir und ich bin nicht mal Vegetarier! Das Angebot ist wirklich groß und wer lieber asiatisch isst oder gerne Burger mit Pommes genießt kommt auch auf seine Kosten. Direkt nebenan befindet sich das Campuseigene Fitnessstudio wo man sich die angefutterten Pfunde wieder abtrainieren kann. Wer Fitnessstudios nicht mag meldet sich bei einem der vielen Unisportkurse an. Da gibt es von Klettern bis Paddeln alles was das Sportlerherz begehrt.

Das alltägliche Leben

Mit dem Hauraki Golf vor der Tür der perfekte Ort zum Studieren und beobachten von Seevögeln. Vom Hafen aus gibt es viele Fähren, die einen binnen weniger Minuten aus der Neuseeländischen Großstadt auf nahezu naturbelassene Inseln bringen. Zwar wurden die meisten seit ihrer Besiedlung durch den Menschen meist intensiv befarmt, vielerorts hat jedoch ein Umdenken stattgefunden und Farmland wurde mit ursprünglicher Flora wieder beforstet. Ein kleines Paradies ist die Insel Tiritiri Matangi. Dank schrittweiser Wiederherstellung des natürlichen Lebensraums und der Wiederansiedlung endemischer Tierarten kann man hier ein Naturparadies bestaunen wie es schon die Maori, die Ureinwohner Neuseelands, bestaunen durften als sie erstmals in Neuseeland landeten. Und das nur eine Fährstunde vom Hafen Aucklands entfernt - einfach traumhaft! Diese Nähe zur Natur ist für mich das schönste an Auckland, denn neben den Inseln im Golf locken auch traumhafte Strände, weniger als eine Stunde Autofahrt von der Stadt. Während die geschützte Ostküste zum Verweilen und Baden am Strand einlädt, bietet die raue Westseite perfekte Bedingungen fürs Wellenreiten.

Im Moment ist es Winter hier in Neuseeland. Hier im Norden der Insel ist jener nicht mit einem kalten Winter in Deutschland vergleichbar. Er ist viel milder und die Temperaturen fallen auch nachts nicht unter null Grad. Wenn tagsüber die Sonne scheint kann man schon mal im T-Shirt im Garten sitzen und den Grill anmachen - perfekt oder? Nicht ganz! Denn es gibt einen kleinen aber feinen Unterschied zur heimatlichen Behausungen in Deutschland. Worte wie "Isolierung", "Doppelverglasung" oder "Zentralheizung" waren hier bis vor wenigen Jahren noch gänzlich unbekannt und muckelige warme Stuben gehörten nicht zum Lifestyle der Kiwis, die auch im Winter gerne mal barfuß zum Supermarkt schlendern. Lustigerweise ganz ähnlich wie am anderen Ende der Welt auf Island, wo demonstrativ zum offiziellen Sommeranfang die kurze Hose ausgepackt wird - egal ob es nun gerade hagelt oder schneit. Isländer profitieren allerdings von Geothermalwaerme mit der selbst Gehwege beheizt werden - da darf man auch mal barfuß zum Supermarkt. Anders hier in Neuseeland, zwar findet langsam ein Umdenken statt und neue Häuser werden isoliert, als Student mit beschränktem Budget wohnt man aber eher in einer der zahlreichen alten Holzvillen etwas weiter vom Stadtzentrum entfernt. Klar, diese ca. 100 Jahre alten Behausungen haben Charme und der seichte Wind der durch die unversiegelten Fensterrahmen zieht ist im Sommer sehr angenehm. Im Winter lässt einen die kühle Brise allerdings schonmal frösteln. An freien Zimmern mangelt es in Auckland an sich nicht, die Mietpreise sind allerdings extrem hoch und brauchen sich vor Preisen in der Münchener Innenstadt nicht verstecken. Selbiges gilt für die Energiekosten. Da überlegt man zweimal, ob man den kleinen Elektroheizer anmacht, zumal die warme Luft sich sowieso alsbald unter der hohen Zimmerdecke sammelt bevor sie sich durch die vielen kleinen Spalten in der Holzdecke nach draußen verflüchtigt. Egal, wer das in Kauf nehmen kann übersteht auch den härtesten neuseeländischen Winter und meine hier wirklich lieb gewonnene Wärmflasche kann mir keiner nehmen!

Stand der Dinge

Ich bin nun seit sechs Monaten hier in Neuseeland und habe eine sehr gute Zeit. Die Kollegen an der Uni sind wirklich sehr nett und alles scheint ein bisschen weniger stressig als zu Hause. Alle gehen wirklich sehr freundlich miteinander um und es herrscht ein sehr kameradschaftliches und freundliches Arbeitsklima. Meine Doktorarbeit wird mindestens drei Jahre dauern und ich freue mich sehr auf die noch bevorstehende Zeit. Als Freizeitziel habe ich mir gesetzt, Surfen zu lernen und ich kann es kaum erwarten, im Sommer in einem der traumhaften Tauchgebiete im Hauraki Golf tauchen zu gehen. Diesen Sommer startet meine erste Feldsaison auf einer der östlich von Auckland gelegenen Vogelinseln. Dort werde ich verschiedene Vogelarten mit Sendern ausstatten, um ihre Wanderungen während und nach der Brutzeit zu untersuchen, alles unter dem Aspekt des Seevogelschutzes. Seevögel sind vor allem durch ungewollten Beifang durch Langleinenfischerei gefährdet. Mit meinem Projekt hoffe ich, meinen Teil zur Erhaltung dieser wunderschönen Tiere beitragen zu können. Es hat ein wenig gedauert, aber ich habe nun endlich das Gefühl dort angekommen zu sein, wo ich seit Beginn meines Meeresbiologie Studiums hinwollte.

Mein Zwischenfazit für alle, die überlegen hier in Neuseeland zu studieren:

1. Traut euch was zu und bewerbt euch um ein Stipendium, oft bewerben sich weniger Leute als man denkt und die Chancen sind gar nicht so schlecht!

2. Lasst euch dabei von der Ranke-Heineman Stiftung helfen und spart euch viel Zeit, Geld und Nerven.

3. Bringt eine Wärmflasche mit und einer sorgenfreien Zeit im Paradies steht nichts im Wege! 

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