Zeitraum
2016
Was
Wirtschaftspsychologie
Studienprogramm
Auslandssemester
Förderung
IRH Förderprogramm
Der Weg welcher mich nach Australien führte war ein klein wenig anders als gewöhnlich: ich habe direkt nach meinem Realschulabschluss eine kaufmännische Ausbildung gemacht und dann über 15 Jahre Vollzeit gearbeitet. Im Jahr 2015 begann ich dann nebenberuflich als sogenannte „beruflich Qualifizierte“ mit einem semi-virtuellen Studium zum B.A. Wirtschaftspsychologie. Da ich mit dem Gedanken an einen Jobwechsel spielte, gleichzeitig aber auch noch meine Auslandserfahrung vergrößern wollte habe ich dann beschlossen, mich erstmal auf das Studium zu konzentrieren und mich für ein Study Abroad Semester zu bewerben.
Meine Hochschule bietet Austauschprogramme mit verschiedenen Institutionen innerhalb und außerhalb Europas an. Darüber hinaus bekommt man im International Office aber auch Tipps zu Webseiten und Institutionen die weiterhelfen, wenn man sich dafür entscheidet als sogenannter „Free Mover“ an eine Nicht-Partnerhochschule zu gehen.
So bin ich auf das Institut Ranke-Heinemann gekommen. Die Organisation eines Auslandsemesters als Free Mover ist aufwändiger als ein Semester an einer Partneruniversität, da man sich hier selbst die passenden Kurse aussuchen und die Anrechnung bei der Heimuniversität vorab genehmigen lassen muss.
Dem Ruf als eine der lebenswertesten Städte der folgend, war für mich war sehr schnell klar, dass ich nach Sydney möchte. Die auf der Website von Ranke-Heinemann zur Verfügung gestellten Informationen und Links zu den Universitäten haben mir dabei geholfen eine passende Universität auszusuchen. Ich habe mich für die Macquarie University im Nordwesten Sydneys entschieden da
Frau Draser und Frau Stellmacher vom Institut Ranke-Heinemann haben mich bei der Bewerbung super unterstützt, und konnten auch alle Fragen die ich hatte beantworten oder mit der Universität abklären. Daneben darf man nicht vergessen, dass sich das Institut Ranke-Heinemann mit 10% an den Semestergebühren beteiligt. Das ist für mich besonders erfreulich, da ich durch meine vorherige Berufstätigkeit ein bisheriges Einkommen hatte durch welches ich bei fast allen anderen Förderungen und Stipendien durch das Raster gefallen bin. Einzige Ausnahme ist ein Promos-Stipendium in Höhe von EUR 600 von der Heimathochschule, ansonsten musste ich alle Kosten im und um das Auslandssemester herum komplett von meinen Ersparnissen bestreiten.
Obwohl ich über zehn Jahre älter als der durchschnittliche Student bin, habe ich mich von Anfang an an der Macquarie University wohl gefühlt. Die „Orientation Week“ vor Semesterbeginn ist verpflichtend, und es empfiehlt sich so viele Veranstaltungen wie möglich mitzumachen. Zum einen weil man dort nochmal Informationen zum Leben und Studieren vor Ort bekommt, vor allem aber auch um gleich Kontakte zu knüpfen. Die „Buddies“ veranstalten zum Beispiel Stadtrundgänge, außerdem bin ich gleich der Exchange Society beigetreten, meinem Eindruck nach einer der aktivsten Clubs. Sie organisieren gemeinsame Ausflüge zu Sehenswürdigkeiten, Veranstaltungen im Campus Hub und – wenn es Frühling wird – einen Schnupper-Surfkurs. In den ersten drei Wochen habe ich die meisten der Kommilitonen kennengelernt mit denen ich später einen Großteil meiner Freizeit verbracht habe, unabhängig von Fakultät, Nationalität oder Alter.
Ich bin ein guter Student. Wirklich. Als ich Deutschland verließ hatte ich einen Notendurchschnitt von 1,4. Dann bekam ich die ersten Noten an der Macquarie – und fing an etwas an mir zu zweifeln. Das Tröstliche: es ging fast allen Austauschstudenten so.
In Australien gibt es 5 Benotungsstufen, welche Punktzahlen dahinterstehen, kann von Uni zu Uni abweichen. An der Macquarie sieht es folgendermaßen aus:
Mein erstes Essay wurde mit 75 bewertet, was sich für mich bei 100 erreichbaren Punkten erstmal nicht gut anhört. Bei der Umrechnung in deutsche Noten wird es je nach Regularien der Heimatuni zu einer 2,3 bis 2,7 führen. Das ist nun zwar nicht „schlecht“, und ich habe es dann auch doch noch geschafft zumindest in einem Fach bzw. einer Unit eine High Distinction als Endnote zu bekommen. Bei mir blieb dennoch der Eindruck haften, dass „sehr gut“ als Note in Australien schwerer zu erreichen ist als in Deutschland.
Auch der Workload während des Semesters ist höher. Ich hatte in Deutschland neben dem Beruf drei Units pro Semester belegt, und hatte den Ehrgeiz in Australien als Vollzeitstudent mehr zu machen. Die Damen vom Institut Ranke-Heinemann haben mir davon abgeraten – zum Glück! Auch andere Austauschstudenten die ursprünglich für vier Units eingeschrieben waren haben nach wenigen Wochen auf drei Units reduziert. Drei Units sind Pflicht um in Australien als Vollzeitstudent zu gelten und ein Studentenvisum zu bekommen.
Im Bachelor besteht die Präsenzzeit pro Unit in der Regel aus 2 Stunden Vorlesung und 1 Stunde Tutorial pro Woche. Dazu kommen aber noch Hausarbeiten wie Essays und Präsentationen, die auch zu einem erheblichen Teil in die Endnote eingehen.
Studiengebühren und den Flug nicht berücksichtigt, habe ich während dem bisherigen fünfmonatigen Aufenthalt in Sydney über zehntausend Euro ausgegeben – mehr als die Hälfte davon für die Unterkunft. Das Leben in Sydney an sich ist teuer, und die Mietpreise extrem hoch.
Zugegebenermaßen habe ich am Anfang auch recht komfortabel gewohnt. Auf der Homepage der Macquarie University (und auf der anderer Universitäten bestimmt auch) findet man eine Liste möglicher Unterkünfte die speziell auf Studenten ausgerichtet sind. Mir war es wichtig ein eigenes Badezimmer zu haben (hier auch „ensuite“ genannt), und habe mich deshalb für einen relativ neuen Komplex in Chatswood entschieden. Chatswood ist ein großer Stadtteil, mit vielen Einkaufsmöglichkeiten, nur 12 Minuten per Bahn von der Uni und weniger als 30 Minuten vom Zentrum entfernt. Das Gebäude und die Zimmer waren sehr gut gepflegt, mit Klimaanlage welche im Winter auch zum Heizen benutzt werden kann - im Juli und August ein nicht zu unterschätzender Vorteil! Da ich mich nicht für das komplette Semester eingemietet habe galt der Kurzzeittarif und ich bekam ein Zimmer in einem Apartment in welchem ich mir die Küche und den Essbereich mit vier weiteren Studenten teilte. Ein Badezimmer hatte wie gesagt jeder für sich, und ich zahlte dann pro Woche 400 AUD inklusive Strom, Wasser und Internet, was ca. 280 EUR entspricht. Ihr habt richtig gelesen, das ist der Preis pro Woche…
Später bin ich dann in eine Wohngemeinschaft nach Surry Hills gezogen, neben Redfern und Glebe meiner Meinung nach einer einigermaßen erschwinglichen, zentral liegenden Wohngegenden. Allerdings liegen auch hier die Preise pro Woche zwischen 250 – 350 AUD, abhängig von der Anzahl der Mitbewohner. Etwas Günstigeres findet man meiner Erfahrung nach nur, wenn man bereit ist nicht nur Bad und Küche, sondern auch das Schlafzimmer an sich zu teilen. Was den Komfort betrifft darf man nicht zu viel erwarten. Die meisten Häuser sind relativ alt, und da der Wohnungsbedarf groß ist hält es kaum ein Eigentümer für nötig etwas in Renovierung und Modernisierung zu investieren.
Die Wohnungssuche macht man übrigens am besten über flatmates.com.au. Wenn man bereit ist 25 AUD in einen early bird account zu investieren wird man auf jeden Fall innerhalb von zwei Wochen etwas finden das zusagt.
So sehr ich die Züge in Sydney liebe, so gespalten ist mein Verhältnis zu den Bussen. Die Züge sind überaus zuverlässig, selbst eine Minute Verspätung wird angesagt. Außerdem sind sie sauber, komfortabel und außer zur Rush Hour morgens und abends bekommt man immer einen Sitzplatz.
Das Busnetz ist riesig, und ich wage zu behaupten dass es kaum eine Stelle an Sydney gibt an der man weiter als 3-5 Minuten von einer Bushaltestelle entfernt ist. Das macht das ganze allerdings auch etwas unübersichtlich und langwierig. Auf einer Strecke von 17 km können da schon mal 50 Haltestellen liegen, was dann eine Fahrzeit von über einer Stunde bedeutet. Da jede Haltestelle von verschiedenen Linien bedient wird ist es auch wichtig zu wissen, dass man den Busfahrern immer deutliche Zeichen geben muss wenn man da steht und Zusteigen will. Freundlich lächeln reicht nicht – ich habe es versucht! Da lächelt der Fahrer zwar zurück, fährt aber trotzdem weiter. Busse sind manchmal ein paar Minuten früher dran, und meine Kommilitonen und ich haben festgestellt dass sie an den Wochenenden auch mal gar nicht kommen – also immer genügend Zeit einplanen wenn man auf den Bus angewiesen ist. Dies ist vor allem der Fall wenn man an den Strand will.
Google Maps ist eine gute Hilfe wenn man unterwegs ist, man bekommt Vorschläge welche Linien man nehmen kann und wo man umzusteigen hat, allerdings keine Echtzeitdaten. Die bekommt man auf der sehr empfehlenswerten App „TripView Lite“, auf der man genau nachverfolgen kann wo welches Verkehrsmittel gerade ist und wann es an der Haltestelle erwartet wird.
Die Bezahlung der Fahrt über eine „Opal-Card“ ist deutlich günstiger als Einzeltickets. Eine Opal kann man in vielen Supermärkten oder Shops kaufen, und dann wieder dort, am Bahnhof oder einfach online aufladen. Am Wochenende gelten günstigere Preise, und mit der Opal bezahlt man grundsätzlich nach der achten Fahrt der Woche nur noch den halben Fahrpreis.
Ich habe selten eine Stadt gesehen, die so multikulturell ist wie Sydney. Dementsprechend groß ist auch das Freizeitangebot. Neben den bekannten Zielen wie Opera House, Harbour Brigde und The Rocks gibt es natürlich Museen welche interessante Ausstellungen zeigen, und für alle Lauf- und Wanderbegeisterten viele wunderschöne „Bushwalks“ rund um Sydney und entlang der Küste. Umfangreiche Informationen über „Things to do“ und aktuelle Events findet man auf http://www.visitnsw.com/ und http://www.sydney.com/.
Samstagabends lohnt es sich nach Darling Harbour zu gehen, hier veranstalten die örtlichen Geschäfte jede Woche ein fünf-bis-zehn-minütiges Feuerwerk. Die Eintrittspreise in Clubs sind vor allem am Wochenende sehr hoch, oft kommt man aber bis zu einer bestimmten Uhrzeit umsonst rein. Webseiten checken!
Ein Must Do ist meiner Meinung nach ein Surfkurs. Hier lohnt es sich Preise zu vergleichen, Anbieter abseits der bekannten Strände Bondi Beach und Manly sind deutlich günstiger. (Ich war zum Beispiel in Maroubra und habe für 5 x 2 Stunden 210 AUD bezahlt.)
Die Mid-Term Break Ende September habe ich genutzt, um zusammen mit fünf anderen Studenten eine Tour ins Outback zu machen. Ein tolles Erlebnis! Wir sind nach Adelaide geflogen, haben dort ein Wohnmobil („Campervan“) angemietet und sind mit zahlreichen Zwischenstopps in den Flinders Ranges, Coober Pedy und den MacDonnell Ranges bis Alice Springs gefahren. Da es im Uluru-Kata Tjuta Nationalpark keine Möglichkeit gibt den Camper abzugeben mussten wir dies in Alice Springs erledigen, und sind von dort mit einer geführten Tour weitere drei Tage in eben diesen Nationalpark. Von Uluru sind wir dann wieder nach Sydney zurückgeflogen. Der Besuch des Uluru-Kata Tjuta Nationalpark war ein echtes Highlight meines Aufenthaltes, und ich empfehle es jedem. Achtet auf die passende Jahreszeit, im australischen Sommer hat es dort über 40 Grad. Ende September war zumindest in diesem Jahr mit vielen blühenden Wildblumen perfekt.
Auch wenn die hohen Studiengebühren und Lebenshaltungskosten erstmal abschreckend wirken, ein Semester in Australien zu absolvieren lohnt sich auf jeden Fall. Egal ob an der Universität oder in der Freizeit, man wird überall akzeptiert und lernt nette Menschen kennen. Und ich glaube es gibt wenige Orte auf der Welt, wo man Menschen aus so vielen verschiedenen Kulturen gleichzeitig begegnen kann.