Kulturschock – Und plötzlich ist alles ganz anders

Wer zum Studieren nach Australien, Neuseeland oder Kanada geht, der wird die fünf Phasen des Kulturschocks durchlaufen. Wir erklären Euch schonmal, was es damit auf sich hat, wie es überhaupt dazu kommt und welchen Einfluss die landestypische Körpersprache auf Euren Auslandsaufenthalt hat.

 

Kulturschock im Auslandssemester

Culture Shock

Was ist Kultur eigentlich? Eine weit verbreitete Kultur-Definition liefert der niederländische Kulturwissenschaftler Geert Hofstede, der Kultur als „die Software des Geistes“ versteht. Das bedeutet, dass jedes Mitglied einer kulturellen Gemeinschaft mit deren „Software“ programmiert ist und in den verschiedensten Situationen ihr entsprechend handelt. Kultur beinhaltet demzufolge zahlreiche alltägliche und gewöhnliche Dinge des Lebens. Hofstede zählt dazu Begrüßungsarten, Essen, das Zeigen oder Verbergen von Emotionen oder der Körperabstand zu anderen. Ein Kulturschock ist somit nichts anderes als das Reagieren eines kulturell programmierten Individuums auf eine fremde „Software“.

Kultur dient uns, wie auch der Psychologe Alexander Thomas feststellt, als Orientierungssystem in unserem heimischen Kulturkreis. Im deutschsprachigen Raum ist es für uns meist ganz normal, beim Essen nicht zu schmatzen oder zu schlürfen, Arbeitskollegen und Vorgesetzte mit dem Nachnamen anzureden und zu siezen oder auch mal mit der linken Hand genussvoll in eine Schale Kartoffelchips zu greifen. Bei einer Reise um den Globus werden wir jedoch schnell feststellen können, dass diese Regeln, die uns doch so vertraut sind, nicht überall gelten – im Extremfall ist genau das Gegenteil Standard. So gehört es teilweise in China zum guten Ton, geräuschvoll zu essen, in Norwegen werden Mitarbeiter, die ihre Kollegen siezen, als spießig abgestempelt und in arabischen Ländern wird man entsetzte Blicke ernten, wenn man mit der linken „unreinen“ Hand zum Essen greift. Das, was für uns vielleicht ein Leben lang Gültigkeit hatte, wird binnen kurzer Zeit in Frage gestellt. Wir empfinden das Fremde als einschüchternd und sind verwirrt: Hallo, Kulturschock!

Die 5 Kulturschock-Phasen

Der Begriff Kulturschock wurde erstmals von dem US-amerikanischen Anthropologen Kalvero Oberg verwendet. Der Wortteil Schock kann irreführen, da der Kulturschock kein unmittelbar und plötzlich eintretender Zustand ist, sondern sich in mehreren Stufen bzw. Phasen ereignet. Oberg zufolge handelt es sich um fünf Phasen, die bei einem Kulturschock durchlaufen werden. Phase 1 ist die Euphorie-Phase. Frisch in der neuen Umgebung, beispielsweise in Australien, Neuseeland oder Kanada, angekommen durchstreifen wir mit großen Augen fremde Straßen, staunen über Architektur, die Kleidung der Menschen und Verkehrszeichen und drücken unsere Nasen vor den Fensterscheiben der Restaurants platt, hinter denen die spannendsten Dinge serviert werden. Wir sind Zuschauer. An unseren eigenen kulturellen Hintergrund denken wir kaum und stellen ihn somit auch nicht in Frage.

In Phase 2, der Entfremdungs-Phase, bahnen sich erste Kontaktschwierigkeiten an. Ohne, mag sich die ein oder der andere nun denken, wie soll ich die Leute hier mit ihrem starken Dialekt bloß verstehen? Das kommt nun davon, dass zu Hause alle Filme synchronisiert werden und selbst bei Crocodile Dundee alle perfektes Hochdeutsch sprechen. Kein Wunder, dass ich das vor Ort gesprochene Englisch nicht direkt komplett verstehe. In dieser Phase geben wir uns selber die Schuld an den Anfangsschwierigkeiten.

Dies ändert sich in Phase 3, der Eskalations-Phase. Hier wird die gesamte Schuld für die persönlichen Schwierigkeiten der fremden Kultur in die Schuhe geschoben. Heimweh tritt auf und die eigene Kultur wird verherrlicht. Wir erreichen den emotionalen Tiefpunkt im Verlaufe unseres Kulturschocks. Warum hat von den Verkäufern hier eigentlich niemand eine Ahnung, fragen wir uns beispielsweise. Das mag absoluter Blödsinn sein, aber rationales Denken fällt in dieser Situation manchmal eben schwer.

Die Situation entspannt sich langsam bei Eintreten von Phase 4, der Missverständnis-Phase. Das, was wir zuvor als Konflikt wahrgenommen haben, stellt sich in unseren Augen mehr und mehr als Missverständnis heraus, das auf den kulturellen Unterschieden beruht. So kann es sein, dass wir plötzlich merken: Hey, meine Mitbewohnerin bietet mir gar nicht ständig aus Boshaftigkeit diesen widerlichen Brotaufstrich Vegemite an, sie liebt das Zeug wirklich und will mich von dieser „Köstlichkeit“ zu überzeugen.

In der abschließenden Phase 5, der Verständigungs-Phase, haben wir die neuen kulturellen Spielregeln mehr oder weniger verstanden, erlernen sie weiterhin und schätzen sie auch. Unsere kulturelle Kompetenz in dieser Phase ist etwa gleich hoch wie zu Beginn, nur besitzen wir sie nun nicht mehr nur in unserem heimischen, sondern auch in dem neuen Kulturkreis. 

Culture Shock – Was tun?

Der US-amerikanische Kommunikationswissenschaftler Carley Dodd empfiehlt, Geduld zu haben, nicht frustriert zu sein und nicht zu schnell aufzugeben. Schließlich geht es ja jedem ja so oder zumindest so ähnlich. Er rät auch dazu, neue Dinge wie beispielsweise Kleidung, Essen oder Sportarten auszuprobieren. Wichtig ist, neue Bekanntschaften zu knüpfen und sich nicht nur zu Hause zu verkriechen. Allerdings sollte man sich auch Phasen der Ruhe und des Nachdenkens zugestehen, sonst wird der Freizeitstress im Endeffekt noch größer als der Kulturschock-Stress. Ruhephasen kann man auch gut nutzen, um die persönlichen positiven und negativen Erlebnisse in einem Tagebuch festzuhalten. Das hilft, Druck und Frustration abzubauen.

Vielen fällt die Eingewöhnung in einen neuen Kulturkreis auch deshalb so schwer, weil die von zu Hause gewohnten Gesten der Freundlichkeit und des Wohlwollens fehlen. Körpersprache ist eben auch ein wichtiges kulturelles Merkmal, das sich von Land zu Land unterscheidet. Am einfachsten ist es, man beobachtet die Körpersprache der anderen Kultur genau, zum Beispiel bei einer Tasse Cappuccino in einem Café. Das Studieren der nonverbalen Kommunikation anderer Menschen gibt Aufschluss über deren Rituale und Gepflogenheiten. Auch wenn in mehr oder minder stark ausgeprägter Weise jeder einmal einen Kulturschock am eigenen Leib erfährt, gibt es doch auch zahlreiche Menschen, bei denen interkulturelle Begegnungen in fremden Ländern nahezu konfliktfrei verlaufen. In solchen Fällen kann man fast schon nicht mehr von einem Kulturschock sprechen. Hierbei handelt es sich oft um Menschen mit starker interkultureller Erfahrung. 

Besonders hilfreich beim Einleben in eine neue Kultur ist übrigens eine einheimische Kontaktperson, die sich auskennt, einige Tipps und Tricks auf Lager hat und uns vielleicht sogar das ein oder andere Mal vor einem interkulturellen Fett- oder Vegemitenäpfchen rettet…

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