Australiens Hauptstadt Canberra – Besser als ihr Ruf

Wenn man die Australier nach ihrer eigenen Landeshauptstadt fragt, so fallen die Reaktionen recht unterschiedlich aus. Die Einen sind der Meinung, dass eigentlich Sydney die heimliche und einzig wahre Hauptstadt sei, die Anderen denken, dass dieser Titel Melbourne gebühre. Zur tatsächlichen Hauptstadt Australiens, Canberra, meinen viele Australier, dass sie leer, keinen Besuch wert, voller Politiker und überhaupt recht langweilig sei. Eines haben die meisten Aussagen gemeinsam: die Australier haben wenig Positives über ihre »capital city« zu sagen. Oft wird das Thema Canberra im Gespräch schnell abgehakt und zu interessanteren Diskussionsstoffen übergegangen. Wir stellen Euch die australische Hauptstadt mal ganz unvoreingenommen vor.

Das neue Parlamentsgebäude

Das neue Parlamentsgebäude in Canberra

Als sich im Jahre 1901 die australischen Kolonien zum Commonwealth of Australia zusammenschlossen, musste eine gemeinsame Hauptstadt gewählt werden. Sydney und Melbourne waren bei dieser Wahl erbitterte Rivalen, weswegen man sich letztendlich darauf einigte, eine neue Hauptstadt zu planen und gründen. Zwischen den beiden heutigen Millionenmetropolen entstand etwa auf halbem Wege das Australian Capital Territory, kurz ACT, auf der Fläche des Staates New South Wales. Der Architekt Walter Burley Griffin entwarf die finale Stadtplanung. Das Besondere seines Entwurfs war, dass er die natürliche Umgebung der zu erbauenden Stadt mit einbezog. Die Bauarbeiten innerhalb der Stadt schritten nur langsam voran, da immer wieder politische Streitigkeiten und nicht zuletzt der Erste Weltkrieg den Fortschritt behinderten. Erst 1927 wurde das provisorische Parlamentsgebäude eingeweiht – eine Hauptstadt war entstanden. In Anlehnung an die lokale Sprache der Aborigines nannte man sie „Canberra“, was „der Treffpunkt“ bedeutet. Sollte „der Treffpunkt“ wirklich solch ein unbesichtigungswürdiger Ort sein?

Canberra ist eine grüne Oase. Die Allgegenwärtigkeit der Natur, die Griffin in seinen Plänen zur Gartenstadt vorgesehen hatte, ist nicht zu leugnen. Die Stadt erscheint sehr weiträumig und von Bäumen und Grünflächen durchsetzt. Da Canberra nicht besonders groß ist, lassen sich die meisten Sehenswürdigkeiten zu Fuß erreichen, jedoch können sich manche Entfernungen ganz schön ziehen. Eine preisgünstige und besonders lohnenswerte Alternative ist es, ein Fahrrad zu mieten, da Canberra über ein wirklich hervorragend ausgebautes Verkehrsnetz auch für Fahrradfahrer verfügt. Hier muss man auch keine Angst vor dem Straßenverkehr haben wie es in australischen Städten wie Melbourne oder Sydney der Fall ist, denn besonders viele Autos fahren hier ohnehin nicht herum. Canberra wird durch den 11 Kilometer langen künstlich angelegten Stausee Lake Burley Griffin, das Naherholungsgebiet der Stadt, unterteilt. Nördlich des Sees befindet sich das »Civic Center« oder einfach »Civic« genannte Stadtzentrum, in dem sich zahlreiche Geschäfte, Cafés, Restaurants, Kinos, Theater und das »Canberra and Region Visitors Centre« befinden. Auch das »Canberra Museum and Gallery« findet sich in diesem Viertel. Der Eintritt zu den meisten Museen in Canberra ist frei. Westlich des Museums, im Stadtteil Acton, erstreckt sich der riesige Campus der in den nationalen Hochschulrankings Platz 1 belegenden Australian National University, kurz ANU. Weltweit zählt sie laut des The Times Higher Education zu den besten Universitäten.

Sucht man in Canberra nach etwas zu Essen, ist sicherlich der »Garem Place« eine gute Adresse. In dieser Gegend gibt es zahlreiche Cafés und Restaurants, so dass sich für nahezu jeden Geschmack etwas finden lassen sollte. Auch das eher beschauliche Nachtleben der australischen Hauptstadt spielt sich zum großen Teil in den Clubs und Bars in diesem Viertel ab. Ein weiteres großes Straßencafé- und Restaurantangebot befindet sich im Stadtteil Kingston südlich des Lake Burley Griffin.

Auch politisch bietet die Stadt viele Besichtigungsmöglichkeiten. Auf dem Weg zum neuen Parlamentsgebäude kommen man am »Old Parliament House« vorbei, welches mit seinem neoklassizistischen Stil zu den architektonisch reizvollsten Gebäuden Australiens zählt. Zwischen 1927 und 1988 fanden hier die Sitzungen des australischen Senats und Repräsentantenhauses statt. Heute dient das Old Parliament House als Ausstellungsraum für das Parlamentsgebäude und beherbergt darüber hinaus die Nationale Porträtgalerie, in der Portraits berühmter Australier ausgestellt sind. 

Seit 1988 stellt das Neue Parlamentsgebäude das »Old Parliament House« in den Schatten. Bereits der Bau dieses Gebäudes an der Südspitze des Parliamentary Triangel war sehr aufwändig. Dabei wurde die obere Hälfte des Hügels, auf dem sich das Gebäude befindet, entfernt. Nach der Fertigstellung des Rohbaus wurde dieser mit der zuvor abgetragenen Erde wieder überdeckt. Basierend auf den Plänen des US-Amerikaners Romaldo Giurgola, der 1978 einen von der australischen Regierung ausgeschriebenen Wettbewerb zur Gestaltung eines neuen Parlamentsgebäudes gewonnen hatte, wurde somit der größte Teil des Gebäudes im Innern des Capital Hills gebaut und die mit Rasen bewachsene Kuppe mit einer hohen Fahnenstange gekrönt. Dieser Fahnenmast aus poliertem Stahl ist insgesamt 81 Meter hoch und wiegt etwa 200 Tonnen. Dass er so massiv und stabil ist, ist auch notwendig, denn die Fahne, die an ihm hängt, ist etwa halb so groß wie ein Tennisplatz und wiegt rund 15 Kilogramm. Kein Wunder also, dass man sie über weite Teile der Stadt hinweg sehen kann.

Ursprünglich waren die Baukosten für das Parlamentsgebäude mit 220 Millionen AUD veranschlagt. Diese wurden jedoch um ein Mehrfaches überschritten. Am Ende betrugen sie über 1,1 Milliarden AUD und ließen das Parliament House zu einem der teuersten Gebäude Australiens überhaupt werden. Im Gegenzug wurde das Parlamentsgebäude mit rund 1,3 Millionen Besuchern jährlich zur populärsten Sehenswürdigkeit Canberras. Regelmäßig finden hier Sitzungen des Senats und des Repräsentantenhauses statt. Besonders spannend soll die so genannte Question Time um 14 Uhr im Senat bzw. um 15 Uhr im Repräsentantenhaus sein, wenn die Regierung der Opposition Rede und Antwort stehen muss. Hierfür sollte man jedoch im Vorfeld eine Buchung vornehmen

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